Blue Steel

Auch wenn James Camerons Ex-Frau Kathryn Bigelow erst durch ihren verdienten, wenn auch nicht erwarteten Erfolg bei der Oscar-Verleihung im Jahr 2009 mit ihrem Kriegsdrama „Tödliches Kommando – The Hurt Locker“ so richtig berühmt geworden ist, hat sie schon früher in ihrer Karriere außerordentlich bemerkenswerte Filme inszeniert. Nach dem Vampir-Drama „Near Dark – Die Nacht hat ihren Preis“ (1987) legte sie 1990 mit „Blue Steel“ eine packende Studie über die Faszination an der Gewalt vor und demonstrierte, dass in Jamie Lee Curtis („Halloween“) mehr steckt als eine Scream-Queen.
Megan Turner (Jamie Lee Curtis) ist mächtig stolz darauf, in New York als Polizistin vereidigt worden zu sein und fortan in ihrer schicken Uniform Streifendienst versehen zu können. Doch gleich an ihrem ersten Arbeitstag gerät sie in einen Überfall in einem Supermarkt und streckt den Täter (Tom Sizemore) nach ungehörter Aufforderung, seine Waffe fallen zu lassen, mit mehreren Schüssen tödlich nieder. Die .44er des Täters landet in Reichweite des am Boden liegenden Börsenmaklers Eugene Hunt (Ron Silver), der die Waffe an sich nimmt und unbemerkt vom Tatort verschwindet. Das wird für Megan insofern zum Problem, weil sie ihren Vorgesetzten Stanley Hoyt (Kevin Dunn) und Nick Mann (Clancy Brown) gegenüber nicht ihre Aussage untermauern kann, in Notwehr gehandelt zu haben. Während Megan zunächst vom Dienst suspendiert wird, ist Eugene von der taffen Polizistin wie besessen, sucht ihre Nähe, lädt sie in teure Restaurants ein und unternimmt sogar einen nächtlichen Hubschrauber-Flug über New York mit ihr. Megan ahnt nicht, dass hinter der charmanten Fassade ein Psychopath steckt, der die Patronen des erbeuteten Revolvers mit ihrem Namen einritzt und wahllos Menschen tötet …
Bereits die Eröffnungsszene, in der Megan eine Wohnung stürmt und den Geiselnehmer einer Frau erschießt, gibt den Ton von Bigelows Cop-Thriller vor, der stellvertretend für das Selbstverständnis der Regisseurin steht. Denn ebenso wie Bigelow sich mit Filmen wie „K-19 – Showdown in der Tiefe“, „Gefährliche Brandung“ und „Zero Dark Thirty“ in der Männerdomäne des Actionfilms etabliert hat, findet ihre Protagonistin Megan ganz selbstbewusst Gefallen am Tragen und Einsetzen ihrer Waffen. Bereits die Übungssimulation aus der ersten Szene macht deutlich, dass Megan sich in der männlich dominierten Polizeiwelt emanzipiert hat. Ihr Beruf lässt sie selbstbewusst auch in lockeren Familiensituationen wie bei ihrer besten Freundin Tracy (Elizabeth Peña) auftreten und auch gegenüber ihrem Vater (Philip Bosco) keine Rücksicht nehmen, der ohnehin nichts davon hält, dass seine Tochter zur Polizei gegangen ist, vor allem aber regelmäßig seine Frau (Louise Fletcher) schlägt.
Interessant wird „Blue Steel“ aber durch das Duell zwischen Megan und ihrem durchgeknallten Verehrer, das letztlich auf Augenhöhe stattfindet. Während Megan für die voll emanzipierte Frau steht, die sich souverän in einer von Männer(gewalt) dominierten Welt behauptet und sich wie selbstverständlich deren Attribute aneignet, wird Eugenes durch Zufall geweckte Faszination für Schusswaffen nicht weiter erklärt.
Ron Silver („Timecop“, „Westwing – Im Zentrum der Macht“) verkörpert den bereits im Beruf irgendwie unmenschlich agierenden Broker ohne die sonst üblichen Ausschmückungen des persönlichen Hintergrunds und möglicher Motive sehr glaubwürdig, während Jamie Lee Curtis in ihrer Uniform nicht nur wirklich scharf aussieht, sondern ihre Figur sehr vielschichtig als besorgte Tochter, aufmerksame Freundin, verletzliches Opfer und engagierte Polizistin ausfüllt.
Der unterkühlt blaue Look, der besonders in der stilisierten Titelsequenz zum Ausdruck kommt, wird durch Brad Fiedels („Terminator“, „True Lies“) elektronischen Score passend untermalt. Was der Film letztlich deutlich macht, ist das im Menschen innewohnende Gewaltpotenzial, das jederzeit zum Ausbruch kommen kann und weder die Liebsten noch die Unschuldigen verschont.
"Blue Steel" in der IMDb

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