The Crying Game

Auf den britischen Inseln ist der irische Filmemacher Neil Jordan bereits mit seinem Horror-Fantasy-Drama „Die Zeit der Wölfe“ (1984) und der Krimi-Romanze „Mona Lisa“ (1986) bekannt geworden. Vor allem sein düsteres Drama „The Crying Game“ (1992) verschaffte Jordan aber sein Ticket nach Hollywood, wo er mit „Interview mit einem Vampir“ (1994) schließlich seinen bis heute größten Erfolg feiern durfte. Das immerhin für sechs Oscars nominierte, letztlich mit einem Oscar für Jordans Originaldrehbuch prämierte Drama überzeugt als außergewöhnliche Mixtur aus Polit-Thriller und Love-Story.
Um ihren Forderungen nach Freilassung ihrer Gesinnungsgenossen bei der britischen Regierung Nachdruck zu verleihen, bringt die IRA den britischen Soldaten Jody (Forest Whitaker) in ihre Gewalt, nachdem dieser auf dem Jahrmarkt von der hübschen IRA-Agentin Jude (Miranda Richardson) verführt worden war. In einer abgelegenen Waldhütte wird Fergus (Stephen Rea) mit der Bewachung der Geisel beauftragt. Als sich Fergus und Jody schon etwas angefreundet haben, bekommt Fergus‘ Anführer Maguire (Adrian Dunbar) das Gefühl, dass sich die Briten nicht auf einen Handel einlassen, und will mit der Ermordung der Geisel ein Exempel statuieren.
Zwar kommt Jody nicht wie geplant durch Fergus‘ Hand, sondern durch einen Unfall ums Leben, doch der gutmütige Fergus lässt es sich nicht nehmen, nach London zu gehen, um Jodys Freundin Dil (Jaye Davidson) dessen letzte Botschaft zu überbringen und als Arbeiter auf dem Bau ein neues Leben zu beginnen. Doch gerade als sich eine tiefere Beziehung zwischen Fergus und Dil anbahnt, wird Fergus von seiner Vergangenheit eingeholt.
„The Crying Game“ beginnt als recht konventionelles Geisel-Drama, dessen IRA-Hintergrund zwar thematisiert, aber nicht weiter intensiviert wird. Interessant ist hier vor allem, wie sich während Jodys Gefangenschaft eine enge Beziehung zwischen ihm und seinem Bewacher entwickelt, wie er Fergus immer weitere Erleichterungen seiner Haftbedingungen abringt und mit ihm ins Gespräch kommt. Die gleiche Faszination, die Fergus seiner ihm anvertrauten Geisel entgegenbringt, empfindet er dann auch für dessen Freundin Dil. Sobald Fergus sich in London mit kürzeren Haaren und ehrlicher Arbeit eingerichtet hat, entwickelt sich der Film zu einem außergewöhnlichen Liebesdrama, das interessante Fragen nicht nur zur Beziehung zwischen Schwarz und Weiß, sondern auch zwischen den Geschlechtern stellt und dabei auf ungewöhnliche Weise von Freundschaft, Liebe, Begehren, Angst und Identität erzählt.
Bevor am Ende der zu Beginn des Films gesponnene Faden wieder aufgenommen wird, entwickelt „The Crying Game“ im einfühlsam inszenierten Mittelteil seine größten Stärken. Dabei überzeugen vor allem Stephen Rea („Die Zeit der Wölfe“, „V wie Vendetta“) als ungewöhnlich empathischer IRA-Anhänger und Jaye Davidson („Stargate“) als geheimnisvolles Objekt der Begierde, aber auch Ian Wilsons („Jane Austens Emma“, „Below – Da unten hört dich niemand schreien“) stimmungsvolle Kameraarbeit macht „The Crying Game“ zu einem sehenswerten Drama, das erstmals als Blu-ray erhältlich ist und neben einem fast einstündigen Making Of mit „Northern Trouble“ auch eine Dokumentation über den Nordirland-Konflikt bereithält.
"The Crying Game" in der IMDb

Kommentare

Beliebte Posts