Half Nelson

Seine Lehrmethoden mögen vielleicht etwas unkonventionell sein, doch in seiner Klasse hat der engagierte Geschichts- und Sportlehrer Dan Dunne (Ryan Gosling) stets die volle Aufmerksamkeit seiner Schüler. Das will in Brooklyn schon was heißen, aber der junge Lehrer hat auch keinen geringeren Anspruch, als die Welt verändern zu wollen, und sei es auch nur durch einen Schüler, den er auf den rechten Weg bringt. 
Mit seinen unorthodoxen Methoden, die nichts mit dem abgesegneten Lehrplan zu tun haben, eckt Dan zwar regelmäßig bei seiner Chefin an und erntet verwunderte Reaktionen von seinen Kollegen, doch das größte Problem hat Dan fraglos mit sich selbst. Unfähig, sein Leben außerhalb der Schule zu gestalten, dröhnt sich Dan regelmäßig mit verschiedenen Drogen zu und unterhält flüchtige One-Night-Stands, ohne je jemanden wirklich an sich heranzulassen. Leider zieht er sich auch in der Schule den Stoff rein, bis eine seiner Schülerinnen, die 13-jährige Drey (Shareeka Epps) ihn zugedröhnt auf dem Klo entdeckt. Anstatt ihn zu verpfeifen, hilft sie ihm auf und freundet sich mit ihm an... 
Beim Ringen bezeichnet „Half Nelson“ einen Hebelgriff, mit dem ein Ringer seinen Gegner zu Boden drückt. Im Fall von Ryan Flecks Spielfilmdebüt sind es die Drogen, die den Lehrer Dan Dunne im Würgegriff haben. Dabei versucht er alles, damit seine Kids eben nicht in den Teufelskreis gelangen, der ihn selbst schon fast zu Boden gerichtet hat. Doch „Half Nelson“ zählt nicht zu der Kategorie sozialkitschiger Drogenfilme, in denen mit erhobenem Zeigefinger auf die schädlichen Folgen des Drogenkonsums verwiesen wird. Im Mittelpunkt des Films steht vielmehr die ungewöhnliche Freundschaft zwischen dem sozial wenig eingebundenen Junglehrer und der schon sehr selbstständigen, bei ihrer alleinerziehenden Mutter lebenden Schülerin, die etwas zum Lebensunterhalt beisteuert, indem sie als Drogenkurier für ihren Onkel Frank (Anthony Mackie) unterwegs ist. Vor allem Ryan Gosling überzeugt in seiner Rolle als gescheiterter Schriftsteller, engagierter Lehrer, aber desillusionierter Architekt seines Lebens. 
Die seelische wie körperliche Erschöpfung, die Dan Dunne ständig mit sich herumträgt, ist auch für den Zuschauer intensiv spürbar, weshalb Gosling verdientermaßen für den Oscar nominiert worden ist. Aber auch Shareeka Epps glänzt als überraschend reifes Mädchen, das sich auf die problematische Freundschaft mit ihrem Lehrer einlässt, obwohl sie selbst als Drogenkurier zum Lebensunterhalt ihrer Familie beiträgt. Statt zu moralisieren, nimmt sich „Half Nelson“ viel Zeit für die tiefgehende Charakterisierung seiner Protagonisten. Und in dieser Empathie für seine Figuren liegt auch die große Stärke und Wirkung des Films. 

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