Das Mädchen und der Mörder

Seit seinen ersten Kurzfilmen in den 1940er Jahren hat der US-amerikanische Filmemacher Joseph Losey (1909-1984) einige bemerkenswerte Filme wie „Teuflisches Alibi“ (1957), „Der Diener“ (1963), „Der Mittler“ (1971), „Don Giovanni“ (1979) und den Alain-Delon-Film „Monsieur Klein“ (1976) inszeniert. Etwas untergegangen in seiner, aber auch in der Filmografie seiner Hauptdarsteller – Richard Burton, Alain Delon und Romy Schneider – ist das biografische Drama „Das Mädchen und der Mörder – Die Ermordung Trotzkis“ (1972). 

Inhalt: 

Mexiko-Stadt im Jahre 1940. In der Vorstadt Coyoacán lebt seit seiner Flucht aus Stalins Sowjetunion der bolschewistische Revolutionär und einstige Weggefährte Lenins, Leo Trotzki (Richard Burton), im Exil. Nur wenige Menschen lässt der stets auf der Hut vor etwaigen, von Stalin gedungenen Attentätern befindliche alte Mann an sich heran. Sein Haus wird schwer bewacht, völlig freien Zugang hat lediglich Trotzkis Lebensgefährtin Natalja (Valentina Cortese). 
Am 23. Mai 1940 unternimmt eine im Auftrag von Stalins NKWD tätige Gruppe linientreuer Kommunisten unter der Führung des mexikanischen Malers Ruiz (Luigi Vannucchi) einen Anschlag auf das Gebäude. Das Attentat misslingt, lediglich Sheldon Harte (Carlos Miranda), der amerikanische Leibwächter Trotzkis, gerät in die Hände der Verbrecher und wird wenig später tot aufgefunden. In einem Gespräch mit dem Polizeipräsidenten der mexikanischen Hauptstadt, Salazar (Enrico Maria Salerno), gesteht Trotzki zwar ein, dass man ihn vor einem anstehenden Anschlag gewarnt habe, bestreitet aber ganz entschieden, die Attacke eigenhändig inszeniert zu haben, um die Sympathien in der Öffentlichkeit zu seinen Gunsten zu beeinflussen. 
Die latente Gefahr lauert vor allem in Gestalt Gita Samuels (Romy Schneider), die für Trotzki als Dolmetscherin arbeitet und mit einem angeblichen Kanadier namens Frank Jacson (Alain Delon) zusammenlebt, der im Im- und Exportgeschäft tätig sein soll. In Wahrheit hat er direkt aus Moskau den Auftrag bekommen, Leo Trotzki zu ermorden. Über Gita erhofft er sich das Vertrauen des Stalin-Widersachers zu erschleichen. Nach einiger Zeit lässt Trotzki ihn dank der Fürsprache Gitas auch tatsächlich in sein Umfeld und findet Gefallen an dem jungen Mann zu entwickeln. Am 20. August 1940 bittet Jacson Trotzki darum, ihm beim Verfassen eines journalistischen Artikels zu helfen… 

Kritik: 

Nach einem Drehbuch des britischen Romanautors Nicholas Mosley („Accident – Zwischenfall in Oxford“, „Story of a Love Story“) hat Losey mit „L‘assassinat de Trotsky“ – so der Originaltitel der französisch-italienischen Co-Produktion – eine unaufgeregte Chronik der Ermordung von Lenins einstigem Weggefährtin und Stalins Widersacher. Die Stationen von Trotzkis bisherigen Leben werden im Vorspann nur stichpunktartig zu passenden Schwarzweiß-Fotografien eingeblendet, danach setzt die filmische Geschichte im mexikanischen Exil ein, wo Richard Burton seinen Mitarbeitern diszipliniert politische Artikel diktiert und zur Entspannung mit seinem Enkel Kaninchen im Garten züchtet. Während Richard Burton („Der Spion, der aus der Kälte kam“, „1984“) also recht emotionslos agiert, spielt sich der emotionale Part vor allem in der angespannten Beziehung zwischen der getreuen Trotzki-Anhängerin und -Dolmetescherin Gita Samuels und ihrem Liebhaber Frank Jacson ab. Während Samuels nämlich immer wieder gegen die durchdringende Apathie ihres Lovers aufbegehrt, zieht sich der Attentäter immer mehr in sich selbst zurück. 
Losey vermag zwar, den revolutionären Geist, den Trotzki und seine auch in Mexiko vorhandenen Anhänger auf den Straßen verströmen, und das Lokalkolorit überzeugend einzufangen, aber die gewissenhaft inszenierte Chronik muss dabei ohne dramatische Höhepunkte auskommen. Stattdessen wirkt die Inszenierung oft phlegmatisch und fordert den Darstellern kaum etwas ab. 
Auch wenn Alain Delon („Der eiskalte Engel“, „Flic Story“) und Romy Schneider („Mado“, „Trio Infernal“) gelegentlich aus dem emotionalen Korsett ausbrechen dürfen, in das Losey sein Werk zwängt, taugt „Das Mädchen und der Mörder“ nur als nüchtern erzähltes Drama eines unspektakulär verlaufenen Attentats. 

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