Das wilde Schaf
Seit sich Romy Schneider in Jacques Derays Erotik-Thriller „Der Swimmingpool“ (1969) nackt mit Alain Delon auf dem Rasen wälzte und so mit ihrem braven „Sissi“-Image brach, ist sie in den 1970er Jahren immer wieder recht freizügig in vor allem französischen Filmproduktionen zu sehen gewesen, so auch in „Das wilde Schaf“ (1974) von Michel Deville („Die Vorleserin“, „Gefahr im Verzug“).
Inhalt:
Seine Mittagspause verbringt der Bankkassierer Nicolas Mallet (Jean-Louis Trintignant) in der Regel in einer Bar in der Nähe, wo er auch regelmäßig seinen Freund, den Schriftsteller Claude Fabre (Jean-Pierre Cassel) trifft. Bei einem dieser Treffen wird Mallet auf die junge Marie-Paule (Jane Birkin) aufmerksam, und völlig überraschend kündigt der Bankangestellte dem Schriftsteller an, in Kürze mit der jungen Frau zu schlafen. Fabre ist auch deshalb so erstaunt über diese Ankündigung, weil Mallet der Inbegriff des langweiligen, extrem zurückhaltenden und unauffälligen Spießers ist.
Doch Mallet ist nicht nur kühn genug, Marie-Paule tatsächlich zu verführen, sondern auch seinen tristen Job zu kündigen. Fortan lenkt Fabre die Geschicke seines Freundes wie eine Romanfigur, fordert ihn dazu auf, jeden Tag eine ungewöhnliche Handlung zu begehen. Mit jeder erfolgreich absolvierten Mutprobe wächst Mallets Selbstvertrauen, doch unterwirft er sich in gleichem Maße den Regieanweisungen seines Freundes. Der will aus Mallet eine mächtige und einnehmende Persönlichkeit erschaffen, die er dann am Ende mit seiner Jugendliebe Shirley Douglas (Estella Blain) konfrontieren kann.
Bis dahin soll Mallet die Frau des Philosophieprofessors Georges Groult (Michel Vitold) bei einem gemeinsamen Abendessen zu verführen.
Bald nach dem Kennenlernen beginnt die von ihrem Mann vernachlässigte Roberte (Romy Schneider) tatsächlich eine Affäre mit ihm, aus der sogar ein Kind hervorgeht. Als Groult von dem Seitensprung seiner Frau erfährt, erschießt er vor den Augen des Liebhabers zuerst sie und dann sich selbst.
Mallets Aufstieg nimmt seinen Lauf, indem er Frauen in gesellschaftlich wichtigen Positionen durch Affären für sich einnimmt. Er verkuppelt sogar seine Freundin Marie-Paule mit einem reichen älteren Herrn namens Lucien Lourceuil (Georges Wilson), den er während seiner Kandidatur bei den Parlamentswahlen unterstützt und den er mit Marie-Paule verkuppelt. Mallet freundet sich mit der in den höheren Gesellschaftskreisen prominenten Flora Danieli (Florinda Bolkan) an und schläft wegen der Aussicht auf eine Erbschaft auch mit der alten steinreichen Witwe Tania Hermens (Mary Marquet).
Seinen gesellschaftlichen Aufstieg zelebriert Mallet aber vor allem als Herausgeber einer vormals kriselnden Zeitung, die sich ganz dem Boulevard-Journalismus verschreibt und die Mallet die Möglichkeit verschafft, die Wirklichkeit nach seiner Fasson zu gestalten…
Kritik:
Michel Deville ist mit „Das wilde Schaf“ eine bissige Gesellschaftssatire gelungen, die auf durchtrieben zynische Weise vom Aufstieg eines schüchternen und gesichtslosen Mannes erzählt, dem – etwas unglaubwürdig – nahezu Frauen jeden Alters und Gesellschaftsschicht zu Füßen liegen. Interessant ist nicht nur die Wandlung, die Mallet vom biederen Bankangestellten erst zum unwiderstehlichen Womanizer, dann zum erfolgreichen Strippenzieher in Politik und Wirtschaft macht, sondern vor allem die Art und Weise, wie er dabei skrupellos von seinem Freund Fabre gesteuert und manipuliert wird, der durch Mallets gesellschaftlichen Aufstieg die Möglichkeit entdeckt, sich zumindest im übertragenen Sinn mit seiner unerreichbar gewordenen Jugendliebe zu vereinen. Sehenswert ist dabei vor allem die Darstellung von Jean-Louis Trintignant, der die drei Männertypen im Verlauf der Geschichte sehr überzeugend verkörpert.
Und bis kurz vor dem Schluss bleibt offen, was für ein Spiel Fabre eigentlich mit seinem Freund treibt. Auch wenn Trintignant und Cassel den Dreh- und Angelpunkt in „Das wilde Schaf“ bilden, sind auch die Frauenfiguren mehr als sehenswert, allen voran Jane Birkin als Mallets lebenslustige Freundin, die sich ganz für seine Zwecke einspannen lässt, und natürlich auch Romy Schneider, die als Mallets Geliebte nur in zweiter Reihe agieren darf, diese Szenen aber ganz an sich zieht.
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