Mado
Claude Sautet hat sich schon mit seinen Frühwerken, den Lino-Ventura-Thrillern „Der Panther wird gehetzt“ (1960) und „Schieß, solange du kannst“ (1965), als erstklassiger Filmemacher erwiesen, der in den darauffolgenden Jahren die beiden Stars Michel Piccoli und Romy Schneider in den eindrucksvollen Dramen „Die Dinge des Lebens“ (1970) und „Das Mädchen und der Kommissar“ (1971) miteinander agieren ließ. Auch in dem 1976 entstandenen Gesellschaftsdrama „Mado“ hat Sautet die beiden vor der Kamera vereint, auch wenn Romy Schneider hier nur eine Nebenrolle als Alkoholikerin verkörpert.
Inhalt:
Der Immobilienmakler Simon Leotard (Michel Picolli) ist von der jungen Gelegenheitsprostituierten Mado (Ottavia Piccolo) so fasziniert, dass er sie liebend gern für sich allein haben und sie mit einem Lebensunterhalt ausstatten würde, der ihr finanzielle Unabhängigkeit bietet. Doch Mado will ihre eigene Unabhängigkeit und ihre Verbindungen zur Unterwelt nicht aufgeben. Schließlich hat sie einige ihrer Kunden wirklich gern. Simon treiben aber weitaus drängendere Probleme um: Sein Teilhaber Julien (Bernard Fresson) ist in die Fänge des Kredithais Lépidon (Julien Guiomar) geraten und sieht keinen anderen Ausweg, sich in seinem Büro das Leben zu nehmen.
Zwar gelingt es Simon, durch Aktienverkäufe die Schulden von sechs Millionen Francs zu begleichen, doch gerät er dadurch selbst an den Rand des Ruins, weshalb er sich an Lépidon rächen will. Durch Mado lernt Simon einen Mann namens Manecca (Charles Denner) kennen, der auch Opfer von Lépidons heimtückischen Machenschaften geworden ist und Simon mit Informationen versorgt, die die unlauteren Geschäfte des Kredithais entlarven.
Und dann ist da noch Simons Ex-Frau Hélène (Romy Schneider), die von ihrer Alkoholsucht nicht loskommt und der Simon eine Entziehungskur vermitteln will…
Kritik:
Sautet hat nach einer Novelle von Gilberte Chatton „Mado“ vor dem Hintergrund der ersten schweren Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit im Frankreich der Ära Giscard d’Estaings inszeniert und beschreibt die finanziellen Nöte an den entgegengesetzten Enden der Gesellschaft. Da sind auf der einen Seite eine ganze Reihe von jungen, gut ausgebildeten Leuten, die seit mehreren Monaten ohne Arbeit sind und jeden noch so erniedrigenden Job annehmen, den sie jeweils nur für kurze Zeit halten können.
Pierre (Jacques Dutronc) hat wenigstens das Glück, nach Juliens Selbstmord als Buchhalter für Simon einspringen zu können, während die attraktive Mado mit ihrem Körper sowohl Geld verdient als auch interessante Beziehungen zur Unterwelt knüpft. Auf der anderen Seite können sich Unternehmer wie Simon Leotard, Aimé Barachet (Michel Aumont) und Lépidon nur über Wasser halten, indem sie krumme Geschäfte machen.
Sautet schildert die Grenzsituationen in der französischen Gesellschaft mit langen Kameraeinstellungen, einem umfangreichen Ensemble und pointierten Dialogen, die aufzeigen, wie schwierig es ist, seinen Platz in der Gesellschaft zu behaupten. Eine fragile Persönlichkeit wie Hélène zerbricht einfach daran (Romy Schneider verkörpert dieses Leiden sehr überzeugend) und flüchtet sich in den Alkohol, Julien nimmt sich kurzerhand das Leben, Simon verliert sich in Sentimentalitäten, allein Mado scheint trotz ihrer jungen Jahre mit allen Wassern gewaschen zu sein. Großartig ist übrigens die Irrfahrt von Simon und seinen Freunden am Ende über die schlammigen Straßen in der Nähe einer Großbaustelle geraten. Als sich die vollbesetzten Wagen im Schlamm festfahren, stellt es das perfekte Sinnbild für die festgefahrene Situation der Figuren dar.
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