Die Frau am Fenster
Seit ihrem selbstgewählten Exil in Frankreich hat sich Romy Schneider („Christine“, „Ein Engel auf Erden“) darauf konzentriert, in ihren Rollen vor allem starke und unkonventionelle Frauentypen darzustellen, mit denen sie sich deutlich von dem unschuldigen Liebreiz ihres „Sissi“-Images distanzieren konnte. Dazu zählt auch das 1976 entstandene Drama „Die Frau am Fenster“ von Drehbuchautor und Regisseur Pierre Granier-Deferre, mit dem die Ausnahme-Darstellerin drei Jahre zuvor bereits „Le Train – Nur ein Hauch von Glück“ realisierte.
Inhalt:
Als General Metaxas im Jahr 1936 in Griechenland einen Staatsstreich anzettelt und die Monarchie in eine Militärdiktatur umwandelt, zeigt sich die attraktive Diplomatengattin Margot (Romy Schneider), die Marquise de Santorini, zunächst unbeeindruckt, ist ihr luxuriöses, aber unaufgeregtes Leben doch von langweiligen Empfängen, Cocktailpartys und einem gelegentlichen Flirt mit ihren Verehrern geprägt, während sie eine offene Ehe mit ihrem mittellosen Mann Rico (Umberto Orsini) führt. Als eines Nachts der griechische Widerstandskämpfer Michel Boutros (Victor Lanoux) auf der Flucht vor Metaxas‘ Häschern Unterschlupf in der Hotelsuite der Marquise sucht und findet, verliebt sich Margot in den Dissidenten, doch das Glück ist nur von kurzer Dauer, da seine Verhaftung bevorsteht. Diese Warnung erhält sie von ihrem alten Freund, dem Bauunternehmer Raoul Malfosse (Philippe Noiret), der selbst starke Gefühle für die attraktive Frau entwickelt hat. Allen Gefahren zum Trotz, beschließen Michel und Margot gemeinsam durchzubrennen, doch dann alles kommt anders…
Kritik:
Pierre Granier-Deferre („Die Katze“, „Der Sträfling und die Witwe“) hat mit der Verfilmung eines Romans von Pierre Drieu la Rochelle eine etwas verworrene Liebesgeschichte inszeniert, die weniger durch die Klassenunterschiede der Marquise und des Widerstandskämpfers geprägt wird als durch das raue politische Klima, in das Griechenland durch die oktroyierte Militärdiktatur gerutscht ist.
Granier-Deferre lässt seinen Blick nur sporadisch über die unter dem Staatsstreich leidende Bevölkerung schweifen und bleibt mit der Kamera weitgehend lustvoll in der dekadenten Schickeria des internationalen Adels hängen. Die Auftaktszene vor den eindrucksvollen Kulissen des Pantheons in Delphi, wo sich die schwierige Beziehung zwischen Margot, Raoul und Michel bereits abzeichnet, lässt bereits erahnen, dass wir hier eine Art griechische Tragödie zu sehen bekommen.
Besonders leidenschaftlich geht es dabei allerdings nicht zu. Die erotischen Beziehungen zwischen den Figuren finden nahezu reglos, unaufgeregt, ohne jede erotische Leidenschaft fast nach Belieben statt. Selbst die Liaison zwischen Margot und Michel spielt sich in sehr verhaltenen Bahnen ab, als sei sich keiner der Beteiligten sicher, ob er sich auf diese Beziehung einlassen soll. Das verleiht dem Drama, nicht zuletzt durch die zahllosen Zeitsprünge, etwas Zielloses, Behäbiges, dem die Darsteller nichts entgegensetzen können. Der Ton ihrer Sprache bleibt stets unverändert, als stünden die Figuren unter Hypnose und trieben haltlos durch das labyrinthartige Beziehungsgeflecht.
Am Ende bleiben die souveränen Darsteller-Leistungen, die imposante Sammlung an Hüten, die Romy Schneider tragen darf, und die malerischen Kulissen im Gedächtnis, nicht aber die stark gezügelte Liebesgeschichte vor brisantem politischem Hintergrund.
Kommentare
Kommentar veröffentlichen