Das Haus der Vergessenen

Nachdem Wes Craven in den 1970er Jahren mit „Das letzte Haus links“ (1972), „Hügel der blutigen Augen“ (1977) und natürlich „Nightmare – Mörderische Träume“ (1984) markante Beiträge zum Horror-Genre abgeliefert hatte, konnte er danach mit Filmen wie „Chiller – Kalt wie Eis“ und „Der tödliche Freund“ nicht mehr an diese frühen Erfolge anschließen. Symptomatisch dafür ist auch der heute fast vergessene Film „Das Haus der Vergessenen“ (1991), der nun als aufwendig gestaltetes Mediabook mit Blu-ray und zwei DVDs wiederveröffentlicht wird.

Der 13-jährige Fool (Brandon Quintin Adams) lebt mit seiner krebskranken, bettlägerigen Mutter und seiner älteren Schwester Ruby in einem von Schwarzen bevölkerten Großstadtghetto. Sie sind noch die einzigen Bewohner eines Hauses, das die gierigen weißen Besitzer abreißen wollen, um dort ein schönes neues Objekt zu bauen, das ihnen noch mehr Geld einbringt. Da kommt es ihnen gerade recht, dass Fools Familie drei Tage mit der Miete in Rückstand sind und somit fristlos gekündigt werden kann. Um nicht auf die Straße gesetzt zu werden, lässt sich Fool darauf ein, den beiden Gaunern Leroy (Ving Rhames) und Spenser (Jeremy Roberts) bei einem Einbruch zu helfen - nämlich ausgerechnet in das großzügig geschnittene Haus seiner Vermieter. Als Pfadfinder verkleidet, der selbstgebackene Kekse verkaufen will, versucht er, das Anwesen zu erkunden, wird von der übel gelaunten Hausherrin (Wendy Robie) aber sofort des Grundstücks verwiesen.
Spenser gelingt es in dem Outfit eines Elektrikers wenigstens in das Haus zu kommen, muss aber im Keller leider gleich das Zeitliche segnen, und auch Leroy hat gegen den Wachhund Prince und den schießwütigen Hausherrn keine echte Chance. Flood ist zum Glück flink genug, um sich in den Gängen zwischen den Wänden zu verstecken. So lernt er zunächst Alice (A.J. Langer) kennen, die Tochter des Hauses, die nie draußen gewesen ist. Flood erklärt, dass ihre Eltern sich sehnlichst einen Sohn wünschen, auf der Suche aber stets bitter enttäuscht wurden und die Jungs nun im Keller am Leben erhalten. Allerdings wurden sie zuvor verstümmelt, um das Böse, das in ihnen steckt, loszuwerden. Einer von ihnen ist Roach (Sean Whalen), der dem Kellerverlies entkommen konnte und jetzt zwischen den Wänden haust. Doch das komplett verrückte Paar lässt nicht locker, bis es die Querulanten im eigenen Haus unschädlich gemacht hat.
Wes Craven hat bereits in früheren Filmen wie "A Nightmare On Elm Street", "Die Schlange im Regenbogen", "Tödlicher Segen" und "The Hills Have Eyes" gesellschaftskritische Themen aufgegriffen und demonstriert, wie scheinheilig doch die gutbürgerliche Fassade oft ist. Dies ist auch das Hauptthema von "Das Haus der Vergessenen". Ein offensichtlich gut situiertes hellhäutiges Paar lebt davon, seine Häuser an farbige Familien zu vermieten. Nach außen hin kann es erfolgreich diese Fassade aufrechterhalten, beispielsweise wenn ein Trupp von Polizisten auftaucht, um dem Verdacht auf Kindesmissbrauch nachzugehen. Doch allzu schnell lassen sich die Gesetzeshüter von dem freundlichen Gehabe, Kaffee und Kuchen einlullen und ziehen wieder von dannen.
Doch dem Zuschauer wird schnell klar, dass der Mann und die Frau, deren Namen nicht erwähnt werden, sondern die sich gegenseitig nur als "Mommy" und "Daddy" bezeichnen, äußerst verhaltensgestört sind, die sehr konservative Werte vertreten. Allerdings bringt ihnen der Wohlstand keine echte Freude. Ständig leben sie in Angst, dass sie um ihr Eigentum betrogen werden, weshalb sie nie aus dem Haus gehen.
Man kann Cravens Figurenzeichnung vorwerfen, dass sie oft sehr übertrieben wirkt, aber deutlich wird der Verweis, dass sich die Weißen auf Kosten der Farbigen bereichern und dabei auch vor kriminellen Handlungen nicht zurückschrecken. Und auch der wenig reflektierte Umgang mit Kindern ist ein wichtiges Thema in "Das Haus der Vergessenen", wenn Kinder, die nicht den Ansprüchen ihrer Eltern genügen, einfach weggesperrt werden.
Im sozialkritischen Kontext hat der Film auch seine größten Stärken, während die eigentlichen Horrorelemente und Effekte eher moderat ausgefallen sind. Die Inszenierung wirkt heute manchmal etwas hölzern und hat manchmal Probleme, das besagte "Haus der Vergessenen" als quasi einzigen Schauplatz überzeugend zu etablieren, doch der Film hat in Wes Cravens Schaffen auf jeden Fall seine Daseinsberechtigung.
"Das Haus der Vergessenen" in der IMDb

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