Whatever Happens Next

Seit sich der Drehbuchautor und Regisseur Julian Pörksen („Sometimes We Sit and Think, and Sometimes We Just Sit“) und Produzent Stefan Gieren („Raju“, „Kunduz: The Incident at Hadji Ghafur“) auf einem Filmfestival kennengelernt haben, wo sie jeweils ihre Debütfilme präsentierten, wollte Gieren einen Film mit Pörksen realisieren. Die Gelegenheit ergab sich mit dem ungewöhnlichen Aussteiger- und Road-Movie „Whatever Happens Next“, das im Rahmen der Filmreihe „Heimspiel“ auf dem 32. Braunschweig International Film Festival lief und ins Rennen um den Publikumspreis „Der Heinrich“ ging.
Der 43-jährige Paul Zeise (Sebastian Rudolph) tritt mit Fahrradhelm und Satteltasche morgens aus dem Haus, schnappt sich Fahrrad und die Tageszeitung und radelt auf einer idyllischen Landstraße entlang zur Arbeit. Doch dann wird er langsam, hält inne, steigt vom Fahrrad, hängt seinen Helm auf einen Zaunpfosten und stapft über die Wiese in unbestimmte Richtung.
Drei Monate später schlendert Paul über den Parkplatz eines Einkaufszentrum, checkt die abgestellten Wagen auf offene Türen und setzt sich in einen Pick-up, lässt sich vom verdutzten Fahrer, einem Friedhofsgärtner, zu dessen Arbeitsplatz bringen, schnorrt sich ein paar Euro und noch eine Zigarette für den Weg. Während Paul vorübergehend Asyl bei einem krebskranken Kunstmäzenen (Hanns Zischler) findet, sich in eine Privatparty eines Studenten der Kulturwissenschaften einschleicht und ihn am kommenden Morgen über Land zu einem Seminar nach Lódz begleitet, hat Pauls Frau Luise (Christine Hoppe) den Privatdetektiv Ulrich Klinger (Peter René Lüdicke) engagiert, sich auf die Suche nach ihrem geflüchteten Ehemann zu machen.
Klinger macht einige der Stationen von Pauls Reise ausfindig, versucht herauszufinden, warum die Menschen sich auf den Schnorrer eingelassen haben und wohin es den Aussteiger denn treibt. An der Kasse einer Autobahntankstelle lernt Paul unterdessen die 29-jährige Nele (Lilith Stangenberg) kennen. Nach einem gemeinsamen Kaffee nimmt Nele Paul das Versprechen ab, kein Perverser zu sein, und in ihrem Wagen zurück nach Deutschland, wo sie auf die Katze von Freunden ihrer Eltern aufpassen soll. Ihre Sorge, dass die Katze längst verhungert sein könnte, hält sie nicht davon ab, in die Ostsee baden gehen zu wollen, aber sie hat ja eine Menge psychischer Probleme, war bereits in einer geschlossenen Anstalt, wie sie Paul gesteht. Das ungleiche Paar lässt sich auf eine unbestimmte Beziehung ein, in der nur Sex tabu ist. Doch dann muss Paul auch schon wieder weiterziehen …
Julian Pörksens Langfilmdebüt „Whatever Happens Next“ ist deshalb ein so ungewöhnliches Road Movie, weil es nie das „Warum“ in den Fokus der Geschichte stellt. Der Zuschauer erfährt ebenso wenig wie Pauls Frau, warum Paul überhaupt aus seinem Leben ausgebrochen ist und ohne bestimmtes Ziel losgezogen ist. Nie wird Pauls Vergangenheit thematisiert oder seine Absichten für die Zukunft. Auf diese Weise bietet Paul eine ideale Projektionsfläche für den Zuschauer. Da so wenig über ihn selbst bekannt wird und wir ihn nur im Hier und Jetzt erleben, wie er sich auf Beerdigungen einschleicht und in Polen in einem Hinterhof Zeuge wird, wie ein Mann vor seinen Augen zusammenbricht und ihn dann ins Krankenhaus begleitet, lassen sich Vor- und Nachher wunderbar durch individuelle Erfahrungen selbst einfügen.
Mit Sebastian Rudolph („Stalingrad“, „Die Spiegel-Affäre“) haben die Filmemacher zudem einen prämierten Theater-Darsteller für die Hauptrolle gewinnen können, dem das sympathisch unschuldig wirkende Schelmische gern abgenommen und auch die Schnorrerei verziehen wird. Denn obwohl der Detektiv beispielsweise im Gespräch mit Pauls „Opfern“ erwähnt, dass Paul sich nur nimmt, was er braucht, und dann wieder seiner Wege geht, scheint er den Menschen, die ihm begegnen, ja auch was zurückzugeben mit seinem offenem Ohr, seinem sanften Lächeln und seinem Interesse für jeden einzelnen von ihnen, unbelastet von den jeweiligen Vorgeschichten.
In einem zweiten Erzählstrang wird die Suche des Privatdetektivs nach Paul thematisiert, wobei er auf der Zielgeraden in Kiel von Pauls Frau begleitet wird. Auch in dieser Beziehung scheint etwas möglich, wird aber nicht durchdekliniert. Auch der sympathisch offene Schluss erfüllt nicht die Konventionen des Genres. Stattdessen erzählt „Whatever Happens Next“ die ganz unbeschwerte, unkonventionelle Geschichte von Selbstbestimmung und Toleranz.
"Whatever Happens Next" in der IMDb

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