Das junge Mädchen

Nachdem der farbige Jazzmusiker Traver (Bernie Hamilton) von einer weißen Frau beschuldigt wurde, sie vergewaltigt zu haben, flieht er mit einem kleinen Boot auf eine vor Carolina gelegene Insel, wo er zunächst auf die 13-jährige Waise Evvie (Key Meersman) und dann auf den Wildparkhüter Miller (Zachary Scott) trifft. Das Mädchen trauert noch um ihren tags zuvor verstorbenen Großvater und verfügt über keine weiteren sozialen Erfahrungen, so dass sie sich schnell mit dem freundlichen Fremden anfreundet, während Miller auf dem Festland unterwegs ist. 
Traver kauft Evvie für 20 Dollar Benzin für sein Boot und ein Gewehr ab, doch bevor er die Insel verlassen kann, schießt ihm Miller das Boot kaputt. Zwar kommen die beiden Männer schließlich doch miteinander aus, und Traver gibt dem Flüchtigen sogar einen Job, doch sie geraten ebenso mit ihren immer gleichen rassistischen Ressentiments aneinander. Entspannung sucht und findet Miller bei Evvie, die er eines Nachts zur Frau macht, wie er ihr mitteilt, aber sie dürfe mit niemandem darüber reden. 
Als während eines Unwetters aber der raue Bootsmann Jackson (Crahan Denton) und der Pfarrer Fleetwood (Claudio Brook) auftauchen, der Evvie mit zu sich in seine Gemeinde nehmen will, spitzen sich die Dinge zu: Jackson findet in Traver den wegen der Vergewaltigung gesuchten Flüchtigen und kann es gar nicht abwarten, ihn seiner gerechten Strafe zuzuführen, doch Evvie ermöglicht dem Gefesselten die Flucht. Der Pfarrer bedrängt Miller, Traver laufen zu lassen, denn Evvie konnte das Geheimnis doch nicht für sich behalten ... 
Der 1960 in Mexiko entstandene Film „Das junge Mädchen“ ist der eine von gerade mal zwei englischsprachigen Filmen (nach „Robinson Crusoe“ aus dem Jahre 1954), die der spanische Regisseur Luis Buñuel realisiert hat, und verhandelt erstmals ein US-amerikanisches Thema, nämlich Rassismus, das er zu gleichen Teilen mit dem Tabuthema Sex mit Minderjährigen verbindet. 
Im Gegensatz zur literarischen Vorlage, die Kurzgeschichte „Travellin' Man“ von Peter Matthiessen, ist Traver nicht der eindeutige Bösewicht, aber Buñuel etabliert in dem lakonisch wie leichtfüßig erzählten, in schlichten Schwarz-Weiß-Bildern gefilmten Geschichte auch keine Helden. Das erschwert dem Zuschauer eine Identifikation, lässt ihm aber die Freiheit, das komplexe Geschehen mit seinen ambivalenten Figuren selbst zu beurteilen. Für Luis Buñuel zählt „Das junge Mädchen“ zu seinen persönlichsten Filmen - und fraglos auch zu seinen besten.  

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