Antichrist

Mit seiner "Europa"-, dann auch mit der "Golden Heart"-Trilogie etablierte sich der dänische Regisseur Lars von Trier als außergewöhnlicher europäischer Filmemacher und inszenierte mit "Idioten" 1998 seinen ersten Film nach dem von ihm mitverfassten "Dogma 95". Als er sich 2005 an das Drehbuch zu "Antichrist" machte, wollte er eigentlich einen Horrorfilm im Stile der japanischen Horrorschocker "Ring" oder "Dark Water" drehen, doch dann drohte der an Depressionen erkrankte Regisseur den Film gar nicht verwirklichen zu können. Erst die Zusage von Hauptdarsteller Willem Dafoe und der Plan, die Depression selbst zum Thema des Films zu machen, brachten das Projekt doch noch in Gang. 
Während sich ein Ehepaar (Willem Dafoe und Charlotte Gainsbourg) in Ekstase durch die Wohnung wälzt, krabbelt Sohnemann aus seinem Bettchen, geht auf nächtliche Erkundungstour und stürzt schließlich aus dem Fenster zu Tode. Während Er als Psychiater den Verlust des einzigen Kindes schnell überwunden zu haben scheint, muss Sie mit schweren Depressionen in einem Krankenhaus behandelt werden. Doch Er glaubt, seiner Frau zuhause besser helfen zu können, also unternehmen die beiden einen Ausflug in eine Waldhütte, wo Er eine auf Sie zugeschnittene Traumatherapie durchführen will. Doch der gut gemeinte Ansatz schlägt furchtbar fehl. In einer Tortur aus Sex, Verlustängsten und Folter zerfleischt sich das Paar bis zum tödlichen Finale. 
Bereits der überstilisierte, in ästhetischen Schwarz-Weiß-Tönen und Ultra-Slow-Motion gedrehte Prolog, in dem sich Willem Dafoe ("Leben und Sterben in L.A.", "Wild at Heart") und Charlotte Gainsbourg ("Das Freche Mädchen", "Der Zementgarten") auf pornografisch deutliche Weise miteinander vergnügen, während das Kind ebenso langsam, aber deutlich auf sein bitteres Schicksal zukrabbelt, macht deutlich, dass vom "Dogma"-Realismus und dem Minimalismus späterer Filme nicht viel übrig geblieben ist. In der Einsamkeit des Waldes spitzt sich das Leiden der Protagonisten weiter zu. Mit gnadenlosem Blick auf die schmerzlichsten Details führt uns von Triers begnadeter Kameramann Anthony Dod Mantle ("Slumdog Millionär","127 Hours") vor Augen, welch blutige Auswirkungen die unfassbare, wenn auch irrationale Angst vor dem Verlust des Partners haben kann. Da wird schon mal dem bewusstlosen Mann ein Loch ins Bein gebohrt, um so einen Mühlstein zu befestigen, und die unkontrollierten Sex-Attacken führen so weit, dass selbst die zerschmetterten Weichteile mit der Hand bedient werden, bis der Bewusstlose Blut ejakuliert. Diese drastischen Szenen gehen einher mit verstörenden Naturaufnahmen, in denen Tiere wie Fabelwesen auftauchen und nahendes Unheil verkünden. 
Dass dieses psychologische Horrorkammerspiel so gut funktioniert und für echten Schrecken sorgt, ist natürlich auch den beiden Darstellern zu verdanken, der manisch aufspielenden Gainsbourg weit mehr als dem ruhig agierenden Dafoe. Im Zusammenspiel machen sie eindrucksvoll deutlich, wie zerstörerisch Liebende einander im wahrsten Sinne des Wortes zerfleischen können. Im Rahmen der "Arthaus Collection Skandinavisches Kino" ist der Film jetzt mit einem informativen 12-Seiten-Booklet ausgestattet, das vor allem die Probleme bei der Realisierung der Produktion thematisiert, aber auch die Aufnahme des Films von der Kritik. 

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