Jud Süss - Film ohne Gewissen

Im September 1940 kam mit "Jud Süss" ein Nazi-Propaganda-Film in die Kinos, der an der Figur des jüdischen Geschäftsmannes Joseph Süß Oppenheimer die Verderbtheit der jüdischen Rasse veranschaulichen sollte. Wenn sich ein deutscher Filmemacher nun mit satirischer Ausrichtung der Entstehung dieses Films annimmt, ist eine kontroverse Aufnahme durch Kritik und Publikum nahezu vorprogrammiert. Oskar Roehler ("Elementarteilchen", "Agnes und seine Brüder") hat "Jud Süss - Film ohne Gewissen" seine persönliche Aufarbeitung des damals von Propaganda-Minister Joseph Goebbels forcierten und unter Mitwirkung der Schauspieler Ferdinand Marian, Werner Krauss und Heinrich George entstandenen Films geleistet und erwartungsgemäß die Lager gespalten. 
Nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs plant Goebbels (Moritz Bleibtreu) einen mit subtilen Mitteln wirkenden Film zu produzieren, der das Judentum denunzieren soll. Für die Hauptrolle des jüdischen Geschäftsmannes Joseph Süß Oppenheimer schwebt Goebbels der Mephisto-Darsteller Ferdinand Marian (Tobias Moretti) vor, der bislang mehr Erfolg bei Frauen als mit seinen Filmen hatte. Marian sträubt sich zunächst, die Rolle trotz aller in Aussicht gestellten Annehmlichkeiten anzunehmen, weil er befürchtet, danach zu sehr auf die Rolle des Juden festgelegt zu werden. Niemand weiß, dass sein Frau Anna Altmann (Martina Gedeck) jüdisches Blut in ihren Adern hat. Doch angesichts des drohenden Absturzes in der Versenkung gibt Marian nach. Immerhin hat Goebbels mit dem Veit Harlan (Justus von Dohnanyi) einen gefeierten Film- und Theaterregisseur für das Projekt gewinnen können. 
Der Film wird schließlich nicht nur vom deutschen Publikum gefeiert, Marian steht vor dem internationalen Durchbruch. Doch Goebbels lässt seinen Star nicht so einfach von der Leine. Immer wieder muss Marian in der Öffentlichkeit seine verhasste Rolle spielen. 
Oskar Roehler hat sich große künstlerische Freiheiten herausgenommen, um die Entstehung eines der erfolgreichsten Nazi-Propagandafilme zu erzählen, vor allem aber die tragische Geschichte des Hauptdarstellers, der am Ende an seinem zweifelhaften Ruhm zugrunde ging. Um den satirischen Charakter des Films zu illustrieren, werden Komiker wie Hans Moser und Heinz Rühmann durch den Kakao gezogen, vor allem wird Goebbels von Moritz Bleibtreu derart überzeichnet dargestellt, dass es eine Wonne ist, ihn wild gestikulierend und überbetont sprechen zu beobachten. Bleibtreu ("Soul Kitchen", "Free Rainer") ist im bis in die Nebenrollen großartig besetzten Satire-Drama der Dreh- und Angelpunkt. Tobias Moretti kann mit der eher nachdenklichen Ausrichtung seiner Figur kaum dagegenhalten, stellt die Stimmungswechsel zwischen charmanter Fraueneroberung und zweifelnder Integrität aber ebenso ausdrucksstark dar. Darüber hinaus scheint Roehler aber wenig an der Aufarbeitung der Geschichte interessiert gewesen zu sein, was ihm natürlich die verständliche Kritik einbrachte. Aber handwerklich ist "Jud Süss - Film ohne Gewissen" perfekt inszeniert, fasziniert mit düster-eleganten Bildern und tollen Darstellern. Der satirische Ton wird zum Ende hin merklich und leider leiser, um sich ganz Marians tragischen Niedergang zu widmen, aber ein wenig mehr fundierte Auseinandersetzung mit der Geschichte hätte "Jud Süss" sicher nicht geschadet.  

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