Das Fest
Wenn Kinder von ihren eigenen Eltern missbraucht werden, ist die gesellschaftliche Fassungslosigkeit verständlicherweise groß. Dogma-Regisseur Thomas Vinterberg hat dieses fürchterliche Thema in den Mittelpunkt seines aufwühlenden Films "Das Fest" gestellt und damit verdientermaßen den
Spezialpreis der Jury 1998 in Cannes gewonnen.
Der erfolgreiche Restaurant-Geschäftsmann Helge Klingenfeldt (Henning Moritzen) lädt Familie und
Freunde zur Feier seines 60. Geburtstages ein. Während sich die Angekommenen auf ihren Zimmern des herrschaftlichen Anwesens zurechtmachen, darf der aufbrausende Michael (Thomas Bo Larsen) erst durch die Fürsprache seines Bruders Christian (Ulrich Thomsen) mit seiner Familie ein Zimmer beziehen. Nachdem Michael im vergangenen Jahr durch seinen Alkoholrausch und einer Affäre
mit einer Bediensteten aus der Reihe gefallen war, ist er dieses Jahr nicht erwünscht gewesen. Doch in diesem Jahr sorgt ausgerechnet der sonst so souverän und ruhig wirkende Christian für einen Skandal. Kurz nachdem ihn sein Vater darum gebeten hat, bei Tisch ein paar Worte zum Selbstmord von Christians Schwester zu verlieren, hält er eine von zwei vorbereiteten Reden. Christian
erzählt von der Reinlichkeit seines Vaters, seiner Leidenschaft für das Baden - und schließt mit der Behauptung, dass er Christian und seine Schwester Linda missbraucht habe.
Zunächst schenkt ihm niemand Glauben, die Feier geht bemerkenswert entspannt weiter. Doch dann taucht der Abschiedsbrief der verstorbenen Tochter des Jubilars auf, der die feiernde Gesellschaft in ihren Grundfesten erschüttert.
Mit allen Möglichkeiten und ungewöhnlichen Blickwinkeln und Einstellungen, die eine Handkamera bietet, entlarvt der dänische Regisseur Thomas Vinterberg ("It's All About Love") die Tragödien, Lügengespinste, Konflikte und scheinheilige Idylle einer gutbürgerlichen Familie, die auf drastische Weise entmystifiziert und zerstört wird. Vinterberg nimmt sich die Zeit, auch abseits der feierlichen Zeremonie die kleinen und großen Probleme der einzelnen Familienmitglieder aufzuzeigen, ihre kläglichen Versuche, bei aller Ungeheuerlichkeit der offenbarten Anschuldigungen den Schein zu wahren. Am Ende gibt es natürlich nichts mehr zu retten, kein Happy End à la Hollywood.
Mit schonungslosem Realismus und eindringlicher Intensität zeigt Vinterberg auf, wie eine längst zerrüttete Familie für immer auseinanderbricht. Im Rahmen der "Arthaus Collection Skandinavisches Kino" ist der Film jetzt mit einem informativen 12-Seiten-Booklet ausgestattet.
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