Shadow Dancer

Die über Jahrzehnte andauernden blutigen Auseinandersetzungen zwischen der Irisch Republikanischen Armee (IRA) und der britischen Regierung haben bereits eine Vielzahl – natürlich meist britischer – Filmemacher zu eindrucksvollen Werken inspiriert, von Neil Jordans „The Crying Game“ und „Michael Collins“ über Jim Sheridans „Im Namen des Vaters“ und Mike Hodges‘ „Auf den Schwingen des Todes“ bis zu Alan J. Pakulas „Vertrauter Feind“ und Ken Loachs „The Wind That Shakes The Barley“. Neue Einsichten in das Thema weiß der preisgekrönte Dokumentarfilmer James Marsh („Man On Wire“, „Project Nim“) mit seinem Drama „Shadow Dancer“ zwar nicht zu vermitteln, aber durch vielschichtige Figuren und eine ungewöhnliche Perspektive ist der Film unbedingt sehenswert.
Nachdem sie als Kind mitansehen musste, wie ihr kleiner Bruder in einer Schießerei zwischen IRA und britischen Sicherheitskräften 1973 tödlich verletzt worden ist, schließt sich Collette McVeigh (Andrea Riseborough) wie ihre Brüder Gerry (Aidan Gillen) und Connor (Domhnall Gleeson) der IRA an, wo sie 1993 mit der Mission beauftragt wird, in einer Londoner U-Bahn eine Bombe zu platzieren. Allerdings wird sie schon beim Verlassen der U-Bahn-Anlage von Agenten des MI5 festgenommen. Geheimdienstagent Mac (Clive Owen) bietet der alleinerziehenden Mutter einen Deal an: Entweder spioniert sie für den MI5 die Aktivitäten der IRA aus und hält Mac mindestens jeden Mittwoch am ausgemachten Treffpunkt auf dem Laufenden oder sie wandert für 25 Jahre ins Gefängnis. Collette nimmt das Angebot an, schwänzt aber schon den ersten Termin. Erst als die Polizei ihr Haus stürmt und sie festnimmt, begreift sie den Ernst der Lage und rückt mit den ersten Informationen heraus. Doch die Zusammenarbeit zwischen Collette und dem MI5 gestaltet sich schwierig …
James Marsh hat nach dem Roman und Drehbuch von Tom Bradby mit „Shadow Dancer“ einen Film inszeniert, der ganz auf das persönliche Dilemma seiner Protagonistin fokussiert ist. Den Tod ihres kleinen Bruders hat sie immer noch nicht verwunden, aber nach außen hin zeigt Collette kaum eine Regung, selbst als sie im Verhörzimmer des MI5 die Alternativen abwägen muss, wie sie ihr weiteres Leben gestalten will. Andrea Riseborough („Oblivion“, „Disconnect“) spielt die innerlich zerrissene Endzwanzigerin herausragend. In dem tristen Ambiente, in dem sie sich bewegt, wirkt aber nicht nur ihr roter Mantel wie ein schillernder Farbtupfer, auch das Zusammenspiel mit Clive Owen als aufopferungsvoll für seine Mandantin kämpfender MI5-Agent sorgt für eine emotionale Komponente, die nie so recht freigelegt wird. Dagegen kann Gillian Anderson („Akte X“) als Macs Vorgesetzte leider kaum Akzente setzen. Dies gelingt dafür Dickon Hinchliffe, der mit James Marsh bereits an „Project Nim“ und „Yorkshire Killer 1980“ zusammengearbeitet hat, mit seinem zurückhaltenden Score umso mehr. Und schließlich setzt das laute Finale noch einen ungewöhnlichen Schlusspunkt.
"Shadow Dancer" in der IMDb

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