Ran

Als der japanische Filmemacher Akira Kurosawa 1998 im Alter von 88 Jahren verstarb, hinterließ er nicht nur die stilbildenden Genreperlen „Rashomon“ (1950) und „Die sieben Samurai“ (1954), sondern auch die beiden beeindruckenden Alterswerke „Kagemusha“ (1980) und „Ran“ (1985). Das fast dreistündige Epos, das auf Shakespeares klassischer Tragödie „King Lear“ basiert, im feudalen Japan des 16. Jahrhunderts spielt und zu dem Kurosawa selbst auch das Drehbuch verfasst hat, erstrahlt in der kunstvoll restaurierten Fassung in ganz neuem Glanz.
Für den alternden Kriegsfürsten Hidetora Ichimonji (Tatsuya Nakadai) ist es an der Zeit, seine Dynastie in die Hände seiner drei Söhne abzugeben. Sein ältester Sohn Taro Takatora (Akira Terao) soll nun Hidetoras Macht weiterführen, seine jüngeren Brüder Jiro Masatora (Jinpachi Nezu) und Saburo Naotora (Daisuke Ryu) sollen ihn mit ihren eigenen Burgen unterstützen.
Während Jiro mit diesem Arrangement durchaus leben kann, reagiert Saburo empört auf die Entscheidung seines Vaters, den er als törichten Narr verspottet. Damit nicht genug, prophezeit er auch noch Verrat und Zerrissenheit zunächst in der Familie, dann auch im ganzen Reich. Da Hidetora diese unerhörte Auflehnung nicht dulden kann, verbannt Saburo aus seinem Reich. Doch Taro erweist sich alles andere als geeigneter Herrscher. Seine machthungrige Frau Kaede (Mieko Harada) setzt alles daran, das Band zwischen ihm und seinem Vater zu brechen. Der von seinem Thronfolger verschmähte Hidetora sucht nun bei seinen anderen beiden Söhnen Unterstützung und droht während seiner beschwerlichen Reise allmählich den Verstand zu verlieren …
Mit seinem Familienepos „Ran“ hat Kurosawa eine bildgewaltige Parabel über Macht, Verrat, Hass, Vergebung und Loyalität geschaffen, in der Shakespeares tragische Motive mit den Traditionen Japans und modernen Endzeitvisionen verbunden werden. Vor allem das alternde Familienoberhaupt wird von seiner eigenen blutgetränkten, kriegstreibenden und intriganten Vergangenheit heimgesucht, als er sich bei seinem Urteil über die Erbfolge von wohlmeinenden Worten umschmeicheln lässt und den Spott seines immerhin ehrlichen Sohnes nur als Kränkung empfindet.
Interessant ist im weiteren Verlauf, wie sich auf der einen Seite der älteste Sohn von seiner Frau so korrumpieren lässt, dass dieser sich gegen seinen Vater wendet, auf der anderen Seite Hidetoras zunehmende Vereinsamung und geistige Umnachtung, die von Tatsuya Nakadai mit fast expressionistischer Intensität dargestellt wird. Er gilt darüber hinaus als Personifizierung der Mächtigen dieser Welt, die ohne moralische Skrupel ihr Imperium aufgebaut haben und nun ironischerweise fassungslos beobachten, wie die Welt, die sie erschaffen haben, mit den gleichen Mitteln auseinanderbricht. Diese apokalyptische Wendung korreliert in „Ran“ vor allem im Finale mit den blutigen Schlachtszenen, und die fallenden Reiter symbolisieren quasi die Menschheit an sich, die an ihrer Gehässigkeit und an ihren Lügen zugrunde geht.
Kurosawa hat dieses an Gleichnissen und Symbolen reiche Werk in schillernden Farben und mit grandiosen Landschaftsaufnahmen ausgestattet und sparsam mit Tôru Takemitsus („Die Wiege der Sonne“, „Seide und Schwert“) Musik untermalt. Das umfangreiche Bonusmaterial zur 4k-Restaurierung des epochalen Meisterwerks enthält u.a. Features zur Restaurierung selbst, zur Kampfkunst der Samurai, neue Interviews, die Dokumentation „Akira Kurosawa – Epos und Innenleben“ und ein Portrait des Filmemachers von Catherine Cadou.
"Ran" in der IMDb

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