High-Rise

Das Werk des britischen Schriftstellers James Graham Ballard (1930 – 2009) ist nicht unbedingt etwas, auf das sich Filmemacher mit Begeisterung stürzen. Unter den renommierteren Regisseuren haben sich bislang nur Steven Spielberg („Das Reich der Sonne“) und David Cronenberg („Crash“) an die oft dystopischen Szenarien des vielseitigen Autors gewagt. Ballards Landsmann Ben Wheatley („Kill List“) knöpfte sich nun den aus dem Jahre 1975 stammenden Roman „High-Rise“ vor und formte daraus ein düsteres Klassenkampf-Szenario, das sich fast ausschließlich in einem außergewöhnlichen Hochhaus abspielt.
Um seinen Erfahrungshorizont zu erweitern, zieht der dreißigjährige Dr. Robert Laing (Tom Hiddleston) nach seiner Scheidung in ein ultramodernes Hochhaus, dessen Etagen von unten nach oben gemäß ihrer gesellschaftlichen Stellung vergeben worden sind und das auch über einen riesigen Spa-Bereich mit Swimming Pool sowie verschiedene Supermärkte verfügt. Laing wird von der ein Stockwerk über ihm wohnenden alleinstehenden Mutter Charlotte (Sienna Miller) zu einer Party eingeladen und macht die Bekanntschaft mit dem temperamentvollen Fernsehjournalisten Richard Wilder (Luke Evans), der bei Charlotte nicht wie erhofft landen kann und sich mit seiner hochschwangeren Frau Helen (Elizabeth Moss) herumplagen muss, und dem weltfremden Anthony Royal (Jeremy Irons), der für die Schöpfung des Hochhauses verantwortlich zeichnet und der für seine Frau Ann (Keely Hawes) sogar einen exklusiven Dachgarten kreiert hat, in dem zwischen den kunstvollen Bepflanzungen Ziegen ebenso herumtummeln wie das Pferd, mit dem Ann regelmäßig ausreitet.
Doch das luxuriöse Ambiente des modernen Schmelztiegels und die in jeder Hinsicht ausschweifenden Partys täuschen über die gesellschaftlichen Konflikte hinweg, die durch regelmäßige Stromausfälle vor allem in den unteren Etagen hervorgerufen werden. Als zunehmend die gesamte Infrastruktur des Gebäudes zusammenbricht, entladen sich die Konflikte in roher Gewalt …
Wheatley und seine Autorin Amy Jump haben in ihrer filmischen Adaption von Ballards Klassiker „High-Rise“ ein ultramodernes Hochhaus als Mikrokosmos der Gesellschaft abgebildet und die einzelnen Etagen aufsteigend nach ihrer gesellschaftlichen Stellung bevölkert. Während sich die Elite nur darum zu kümmern braucht, unter welchem Motto die nächste Party steigt und wer mit wem seine Körperflüssigkeiten austauschen darf, herrscht in den unteren Regionen eher der pure Überlebenskampf. Wheatleys Haus-Kameramann Laurie Rose bringt die dekadente Eleganz der Reichen ebenso eindrucksvoll zur Geltung wie die einfachen, nach pragmatischen Gesichtspunkten geordneten Lebensverhältnisse der Unterschicht. Durch die beengten Verhältnisse und die sichtbare Ungleichbehandlung der Bewohner entwickelt sich der Konflikt zwischen den Klassen ebenso kontinuierlich wie unumkehrbar. Vor allem in der Figur des weltfremden Architekten wird deutlich, dass die herrschende Oberschicht überhaupt kein Auge für die Bedürfnisse und Lebensumstände der breiten Masse besitzt.
Mit dem gut aussehenden und nonchalanten Neurologen Dr. Laing steht ein Mann genau zwischen beiden Lagern. Durch seine Bildung und seinen Ehrgeiz ist ihm die Nähe zu Royal und Charlotte zunächst willkommener, könnte ihre Bekanntschaft doch noch Türen zu seinem gesellschaftlichen Aufstieg öffnen. Aber er ist doch noch so bodenständig, dass er Verständnis für die Sorgen, Wut und Bedürfnisse der unterdrückten Masse aufbringt. Wirklich aussöhnen können die Filmemacher ihren Protagonisten mit den unterschiedlichen Lebensauffassungen nicht. Stattdessen kreieren sie fortlaufend wildere Partys und fast schon absurde Situationen, die die Dramaturgie der Filmerzählung immer wieder durchbrechen. Das ist vor allem schick anzusehen, durch Clint Mansells („Black Swan“, „Moon“) atmosphärisch stimmigen Score meisterhaft untermalt und auch gut gespielt, überzeugt aber letztlich eher als eigenwillig formulierte Gesellschaftskritik denn als rundherum geglücktes Filmvergnügen.
"High-Rise" in der IMDb

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