Alles Geld der Welt
2017 war für den damals 80-jährigen Filmemacher Ridley Scott ein besonderes Jahr. Er kehrte mit „Alien: Covenant“ nicht nur zu dem Franchise zurück, das er 1979 mit dem zum Science-Fiction-Klassiker avancierten „Alien“ zum Leben erweckte, sondern inszenierte mit „Alles Geld der Welt“ auch noch einen Entführungsthriller, der vor allem durch die Tatsache für Aufmerksamkeit sorgte, dass Darsteller Kevin Spacey wegen aufgekommener Missbrauchsvorwürfe einige Tage vor Drehschluss aus dem Film entfernt und kurzfristig durch Christopher Plummer ersetzt wurde. Plummer erwies sich letztlich als die bessere Wahl, erhielt für seine Darstellung des Öl-Milliardärs J. Paul Getty eine Oscar-Nominierung.
Während seines Aufenthalts in Rom wird der 16-jährige John Paul Getty III (Charlie Plummer), Enkel des Ölmagnaten J. Paul Getty (Christopher Plummer), 1973 von einer italienischen Verbrecherbande gekidnappt. Die Entführer fordern von den Eltern, den 1964 geschiedenen Gail Harris (Michelle Williams) und John Paul Getty II (Andrew Buchan), ein Lösegeld von 17 Millionen Dollar. Da sie im Zuge des Sorgerechtsstreit damals auf jegliche Unterhaltungszahlungen gegenüber den Gettys verzichtete, um das alleinige Sorgerecht zugesprochen zu bekommen, ist Gail mittellos und gezwungen, ihren ehemaligen Schwiegervater um die Lösegeldsumme, die für den zur Zeit reichsten Mann der Welt nur ein Taschengeld darstellt. Doch Getty geht es ums Prinzip: Um nicht weitere Entführer auf den Plan zu rufen, lehnt er die Bereitstellung des Geldes ab, schickt seinen versierten Verhandlungsführer, den ehemaligen CIA-Agenten Fletcher Chace (Mark Wahlberg), nach Rom, um die Freilassung seines Enkels zu organisieren. Chace geht davon aus, dass sich der Junge entführen ließ, um von seinem Großvater Geld zu erpressen, doch wird er bald eines Besseren belehrt. Die Entführer verlieren über die Monate, in denen sich die Verhandlungen hinziehen, allerdings allmählich die Geduld. Während Gail ebenfalls in Rom nach ihrem Sohn sucht und irgendwie das Geld aufzutreiben versucht, gelingt es Chace zumindest, das Lösegeld auf vier Millionen herunterzuhandeln. Als Paul schließlich die Flucht gelingt, überschlagen sich die Ereignisse …
Kritik:
Ridley Scott macht es sich bei der Verfilmung von John Pearsons Sachbuch „Painfully Rich: The Outrageous Fortune and Misfortunes of the Heirs of J. Paul Getty“ nicht leicht, versucht er doch innerhalb von über 130 manchmal überlangen Minuten einerseits den schwerreichen Öl-Magnaten J. Paul Getty zu portraitieren, andererseits einen Entführungs-Thriller zu inszenieren. Zwar hängen beide Aspekte unmittelbar zusammen, doch wird die Verbindung zwischen Getty und seinem Enkel nur in einigen Rückblenden hergestellt, wenn der skrupellose Geschäftsmann den Jungen mit seinen Weisheiten auf das Leben vorzubereiten versucht. Scott und sein bewährter Kameramann Dariusz Wolski („Dark City“, „Neues aus der Welt“) fangen Gettys unfassbaren Reichtum sehr versiert ein, wenn in der Bank etwa die unzähligen Geldbündel gezählt werden oder die Kamera über die unzähligen Gemälde in dem riesigen Anwesen schwenkt.
Bemerkenswerter als die zur Schau gestellten Reichtümer fallen allerdings die Episoden am Rande ins Gewicht, wenn Getty beispielsweise genussvoll erzählt, wie er auf einem arabischen Basar eine Statue eine Stunde lang von 17 auf 11 Dollar runtergehandelt hat. Der Wert der Statue, die er seinem Enkel schenkt, würde allerdings auf über eine Million Dollar geschätzt. Ebenso bezeichnend ist der Umstand, dass Getty in seinem Haus eine Telefonzelle einbauen ließ, von der er auch seine ehemalige Schwiegertochter mit Kleingeld telefonieren lässt, statt ihr den Hausapparat zu überlassen. Getty lässt nie einen Zweifel daran, dass Geld ihm alles bedeutet, dass er nicht genug davon haben kann, dass er lieber ein Gemälde vom Schwarzmarkt ersteht als seinen Enkel aus einer bedrohlichen Situation zu befreien.
Der in diesem Jahr verstorbene Christopher Plummer („Beginners“, „Insider“) verkörpert diesen so starr an seinem Reichtum hängenden Mann mit einer Überzeugungskraft, die Kevin Spacey unter den Schichten von Make-up nicht hätte transportieren können. Auf der anderen Seite dieser scheinbar makellosen, glänzenden Welt präsentiert Scott das ungewisse Schicksal von Gettys Enkel in der einfachen Hütte, in der seine Entführer ihn auf dem Land in Kalabrien untergebracht haben. Wie sehr das Warten auf das Lösegeld die Nerven bei den Entführern blank liegen und unachtsam werden lässt, zeigt die Szene, in der ein Entführer seine Maske nicht wieder übers Gesicht zieht, als er den Jungen zum Pinkeln nach draußen begleitet, und deshalb von einem seiner Mitstreiter erschossen wird.
Neben Christopher Plummer zeigt allerdings nur Michelle Williams („Manchester by the Sea“, „My Week with Marilyn“) eine bemerkenswerte Leistung als verzweifelt um die Freilassung ihres Sohnes kämpfende Mutter, die letztlich ihren Schwiegervater mit seinen eigenen Mitteln zur Vernunft bringt. Scott gelingt es allerdings nur sporadisch, seinen Figuren Tiefe zu verleihen und dabei den Plot stimmungsvoll voranzutreiben.
Kommentare
Kommentar veröffentlichen