Haie der Großstadt
Mit Hauptrollen in Martin Ritts Drama „Der lange heiße Sommer“ (1958), Arthur Penns Western „Einer muss dran glauben“ (1958), Richard Brooks‘ Drama „Die Katze auf dem heißen Blechdach“ (1958) und Otto Premingers Kriegs-Epos „Exodus“ (1960) avancierte Paul Newman zum Superstar in Hollywood. Einen weiteren erinnerungswürdigen Auftritt feierte er in Robert Rossens Billard-Drama „Haie der Großstadt“ (1961) nach einem Roman von Walter Tevis.
„Fast“ Eddie Felson (Paul Newman) hält sich für den besten Billard-Spieler unter der Sonne. Zusammen mit seinem älteren Partner Charlie (Myron McCormick) reist er quer durch die Staaten und bringt seine Gegner durch geschickt inszeniertes Understatement und charismatisch zur Schau gestellte gute Laune dazu, um immer höhere Einsätze zu spielen. Eddie verliert die ersten Spiele, um seine unbedarften Gegner bei den hohen Einsätzen schließlich gnadenlos auszunehmen. Schließlich will er sich mit dem derzeit besten Billard-Spieler messen, den stets elegant gekleideten, in sich ruhenden Minnesota Fats (Jackie Gleason). Auch hier scheint Eddies Taktik aufzugehen. Nachdem die beiden Spieler über 24 Stunden lang gespielt haben, hat Eddie bereits 18.000 Dollar gewonnen. Allerdings trinkt er zu viel, wird überheblich und verliert seinen Gewinn wieder. Der skrupellose Bert Gordon (George C. Scott) beobachtet das Drama, hält Eddie vor, dass er ein Verlierer ohne Charakter sei. Auf diese Weise gelingt es Gordon später, von Eddie als Manager engagiert zu werden, der 75 Prozent an Eddies Gewinnen einbehält. Zuvor ließ er Eddie aber durch seine Handlanger die Daumen brechen, nachdem Eddie versucht hatte, auf eigene Kosten zu spielen.
Als Eddie frühmorgens in einem Café Sarah Packard (Piper Laurie) kennenlernt, erfährt er, dass sie auf einen Bus warte. Später trifft er sie wieder, in einer Bar. Sie trinken gemeinsam Bourbon und landen schließlich in Sarahs komfortabler Wohnung, für die ihren Angaben nach ein älterer Freund aufkomme. Sarah und Eddie verbringen ihre Tage und Nächte mit Nichtstun. Sie betrinken und lieben sich, treiben sonst aber ziellos und deprimiert durch ihr Leben dahin. Schließlich begleitet sie Eddie und Gordon zu einem Billard-Turnier, wo Eddie 12.000 Dollar bei einem Karambolage-Spiel gewinnt. Währenddessen betrinkt sich Sarah, die vergeblich darauf wartet, dass ihre Liebe zu Eddie erwidert wird, bis zur Besinnungslosigkeit …
Kritik:
Robert Rossen („Alexander der Große“, „Heiße Erde“) inszenierte mit „The Hustler“ (dt. „Der Strichjunge“), so der treffendere Originaltitel, ein beispiellos dichtes Spielerdrama, das zwar eine halbe Stunde lang das packende, letztlich 40 Stunden andauernde Duell zwischen Fast Eddie und Fattie verfolgt, im Grunde aber das Psychogramm eines Spielers präsentiert, der tatsächlich zu Beginn der Geschichte ein Mann ohne Charakter ist. Das wird nicht nur anhand der Tatsache deutlich, dass Eddie während der endlos aneinandergereihten Partien viel zu viel Alkohol in sich hineinschüttet, sondern dass er auch nicht weiß, wann es aufzuhören gilt.
Mit Eddie und Minnesota Fats stehen sich nicht nur zwei grundverschiedene Spieler, sondern ebensolch gegensätzliche Charaktere gegenüber. Während Eddie der alles durchdringende Wille zum Gewinnen und die Disziplin fehlt, um solch ein Marathon-Duell für sich entscheiden zu können, weiß der gewiefte, erfahrene und eben sehr disziplinierte Minnesota Fats, dass er nur darauf zu warten braucht, bis Eddie zusammenbricht. Ebenso interessant ist aber auch das Verhältnis von Eddie zu Sarah auf der einen und zu Gordon auf der anderen Seite. Mit der depressiven Sarah lernt Eddie eine Frau kennen, die sich trotz ihrer Probleme, die sie ebenso wie Eddie im Alkoholrausch ertränkt, ganz auf Eddie einlässt. Wie sie ihm später gesteht, habe sie die Männer in ihrem früheren Leben stets „erfunden“, bei Eddie habe sie aber gehofft, dass er „wirklich“ sei. Doch da Eddie sich selbst nicht liebt, kann er auch Sarahs Liebe nicht erwidern, was fürchterliche Konsequenzen hat.
Als ebenso bedeutend für Eddies Charakterentwicklung erweist sich seine Beziehung zu dem kaltherzigen Manager Gordon, der seinen charakterschwachen Schützling so gekonnt manipuliert, dass er nach seiner Pfeife tanzt und ihm ordentlich Gewinne einbringt. Aus dieser Beziehung ist schließlich der originale Filmtitel zu verstehen, denn Eddie prostituiert sich letztlich für Gordon.
Rossen inszeniert die Beziehungen zwischen diesen vier ganz unterschiedlichen Charakteren als Drama um Geld, Macht und Liebe mit wunderbaren Darstellern in großartigen Schwarzweiß-Bildern von Eugen Schüfftan, der ebenso mit einem Oscar ausgezeichnet wurde wie das beste Szenenbild. Nominiert waren außerdem „Haie der Großstadt“ als bester Film sowie die vier Haupt- und Nebendarsteller, die Regie und das Drehbuch. 1986 drehte Martin Scorsese mit „Die Farbe des Geldes“ eine Fortsetzung, in der Paul Newman als gealterter Eddie Felson Tom Cruise unter seine Fittiche nimmt.
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