Kap der Angst
Martin Scorsese hat bereits mit „Die Farbe des Geldes“ (1986), der Fortsetzung von Robert Rossens Billardspieler-Drama „Haie der Großstadt“ (1961), bewiesen, dass er vertrauten Stoffen durchaus neue Aspekte zu verleihen versteht. Während es in diesem Fall aber um eine Fortsetzung ging, bei der Paul Newman noch einmal in seine frühere, nun aber sichtlich gealterte und gereifte Hauptrolle geschlüpft war, drehte Scorsese 1991 mit „Kap der Angst“ ein klassisches Remake, für das er sich nicht nur einige Hauptrollen aus dem 1962er Original „Ein Köder für die Bestie“ in anderen Mini-Nebenrollen besetzte, sondern auch die zuvor meisterhaft komponierte Musik von Bernard Herrmann wiederverwendete. An J. Lee Thompsons Meisterwerk kommt Scorsese Remake allerdings nicht heran.
Nachdem Max Cady (Robert De Niro) 14 Jahre für eine brutale Vergewaltigung abgesessen hat, will er sich an seinem damaligen Anwalt Sam Bowden (Nick Nolte) rächen, der damals ein Cady entlastendes Gutachten unter den Tisch fallen gelassen hatte, das auf die Promiskuität von Cadys Opfer hinwies, was sich im Prozess zumindest strafmildernd ausgewirkt hätte. Da Cady durch die lange Haftstrafe nicht nur seine Freiheit, sondern auch seine Familie verlor, setzt er nun alles daran, auch seinem nachlässigen Anwalt das zu nehmen, was diesem lieb und teuer ist. Dabei baut er geschickt eine Drohkulisse auf, vergiftet erst den Hund von Bowdens Frau Leigh (Jessica Lange) und vergewaltigt und misshandelt dann Bowdens Kollegin und Geliebte Lori Davis (Illeana Douglas). Da Leigh ahnt, warum Cady sich an der Kollegin ihres Mannes vergriffen hat, brechen alte Wunden auf, in die auch ihre 15-jährige Tochter Danielle (Juliette Lewis) hineingezogen wird. Sie zieht sich von ihren zerstrittenen Eltern zurück und lässt sich von Cady in die Schule locken, wo sie sich für den Schauspielkurs vorstellen soll. Cady nutzt das Kennenlernen im Vorführraum der Schule dazu, das Mädchen zu verführen, ohne handgreiflich oder zu intim zu werden. Doch als Bowden von diesem Zwischenfall erfährt, lässt er durch den Privatdetektiv Kersek (Joe Don Baker) drei Schläger anheuern, die Cady aus der Stadt vertreiben sollen. Nachdem Cady aber zuvor Bowdens mündliche Ankündigung dieser Drohgebärde aufgezeichnet hatte, droht Bowden nun die Entlassung aus der Anwaltskammer.
Bowden lockt Cady zu seinem am Cape Fear liegenden Hausboot und will ihn dort in Notwehr erschießen. Doch ein Sturm und Cadys wachsames Auge drohen Bowdens Plan zunichte zu machen …
Kritik:
Scorsese zeigte zunächst wenig Interesse an dem Drehbuch zu „Kap der Angst“, war bei Universal allerdings in der Pflicht, nach seinem finanziellen Reinfall mit „Die letzte Versuchung Christi“ wieder etwas Geld in die Studiokassen zu spülen. Also ließ er das ursprüngliche Drehbuch von James R. Webb so oft von Wesley Strick umschreiben, bis Scorsese genug Vertrauen in die Geschichte hatte, dass er sich an seinen ersten Thriller heranwagte.
Als sichere Bank hat er seinen Lieblingsschauspieler Robert De Niro, mit dem Scorsese bereits „Hexenkessel“, „Taxi Driver“, „New York, New York“, „Wie ein wilder Stier“, „King of Comedy“ und „GoodFellas“ realisiert hatte, in der Rolle des rachsüchtigen Max Cady besetzt, wobei De Niros Figur mit den auf seinem Körper tätowierten Bibelsprüchen und seinem im Gefängnis erworbenen Kenntnissen der Gesetze einen imponierenden Bösewicht darstellt, der mit einer diabolischen Mischung aus Verführungskunst und jederzeit zu explodieren drohendem Gewaltpotenzial vor allem den Frauen in Bowdens Leben bedrohlich zu Leibe rückt.
Im Gegensatz zu Thompsons „Ein Köder für die Bestie“ ist Bowdens Figur aber auch mit Schuld beladen. Indem er seinem Mandanten nicht die bestmögliche Verteidigung angedeihen ließ und seine Frau betrogen hat, weist der Anwalt ebenso Schuld auf sich wie sein Widersache, der wie seine personifizierte Sühne wirkt. Und auch Juliette Lewis („Strange Days“, „Natural Born Killers“) agiert in ihrem Leinwanddebüt weitaus gereifter und sinnlicher als ihr Pendant in der 1962er Adaption von John D. MacDonalds Romanvorlage. Scorsese würzt sein durchaus packendes Remake mit mehr Action und Gewalt, und huldigt dem Original, indem er die damaligen Hauptdarsteller Gregory Peck und Robert Mitchum sowie Martin Balsam in kleinen Nebenrollen auftreten lässt.
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