Silence

Der ehemalige Jesuitenschüler Martin Scorsese hat seit seinem Durchbruch mit „Hexenkessel“ (1973) immer wieder in mehr oder weniger großem Kontext Glaubensfragen in seinen Filmen thematisiert und sich vor allem durch sein umstrittenes Biopic „Die letzte Versuchung Christi“ (1988) und „Kundun“, sein Portrait des 14. Dalai Lamas Tibets aus dem Jahre 1997, besonders intensiv mit religiösen Themen auseinandergesetzt. 2016 inszenierte er mit „Silence“ die Adaption von Shūsaku Endōs Roman „Chinmoku“, in dem der bis zur Verzweiflung ausartende Versuch portugiesischer Jesuiten geschildert wird, in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts in Japan den christlichen Glauben zu verbreiten. 

Inhalt: 

Im Jahr 1638 werden die beiden jungen portugiesischen Jesuiten Sebastião Rodrigues (Andrew Garfield) und Francisco Garrpe (Adam Driver) von Father Valignano (Ciarán Hinds) nach Japan geschickt, um die Missionsarbeit des berühmten Pater Cristóvão Ferreira (Liam Neeson) fortzusetzen, über den ein Gerücht in Umlauf ist, dass er sich vom christlichen Glauben losgesagt haben soll. Sebastião kann sich nicht vorstellen, dass sein geschätzter Lehrmeister seine Mission verraten könnte, und setzt nach seiner Ankunft in Japan seine Energie nicht nur dazu ein, die von der Regierung verfolgten katholischen Bauern zu unterstützen, sondern den verschollenen Pater Ferreira aufzufinden. Auf dem Weg nach Japan gelangen sie zunächst in die portugiesische Kolonie Macau, wo sie den völlig verstörten Konvertiten Kichijiro (Yôsuke Kubozuka) kennenlernen, mit dem sie in einem Schiff heimlich nach Japan reisen. In dem Dorf Tomogi stoßen sie auf eine christliche Gemeinde von Bauern, die sich im Untergrund verstecken, da Inquisitoren Kopfgelder auf Christen und vor allem auf Priester ausgesetzt haben. 
Francisco und Sebastião verstecken sich mit den japanischen Christen ebenfalls in einer einsam in den Bergen gelegenen Hütte, werden aber durch ihre Unvorsichtigkeit von Bewohnern eines Nachbardorfes entdeckt. Während Francisco in Tomogi verbleibt, nimmt Sebastião im Nachbarort seine Missionstätigkeit auf und erfährt währenddessen, dass Kichijiros Familie von Regierungskräften getötet wurde und er selbst nur entkommen konnte, weil er dem christlichen Glauben abschwor. Die beiden portugiesischen Jesuiten werden nun selbst Zeuge, wie unbarmherzig die japanischen Statthalter und Inquisitoren mit ihren Landsleuten umgehen, die nicht bereit sind, dem christlichen Glauben abzuschwören, wozu sie nur auf das Abbild Jesu treten müssten. Wer sich nicht zur Rückkehr zum buddhistischen Glauben bewegen lässt, wird auf fürchterliche Weise gefoltert, an Kreuze gefesselt, mit heißem Wasser übergossen, in der heranbrechenden Flut ertränkt, kopfüber über einem Loch aufgeknüpft und leicht angeritzt, dass das Blut nicht in den Kopf steigt, sondern Tropfen für Tropfen aus dem Körper entweicht. Als Sebastião und Francisco schließlich auf getrennten Wegen Japan verlassen wollen, wird Sebastião von Kichijiro an den Inquisitor Inoue (Issei Ogata) verraten und mit anderen konvertierten Christen in ein Gefängnis in Nagasaki gebracht … 

Kritik: 

Seit Scorsese den 1966 veröffentlichten und lose auf wahren Begebenheiten beruhenden Roman von Shūsaku Endō entdeckt hat, war er seit Beginn der 1990er Jahre an einer Neuverfilmung der Geschichte interessiert, die bereits 1971 von Masahiro Shinoda verfilmt worden, aber nicht im Ausland angelaufen war. Wie üblich bei Scorseses ambitionierteren Projekten kamen etliche andere Filme wie „Hugo Cabret“ und „Shutter Island“ zunächst dazwischen, ehe der Filmemacher 2013 tatsächlich mit der Umsetzung des brisanten Stoffes anging. 
Vor dem Hintergrund des regen Handels zwischen Japan und Portugal auf der Grundlage des Vertrags von Tordesillas erzählt „Silence“ die Geschichte von zwei jungen Jesuiten, die auf der Suche nach ihrem früheren Lehrmeister die bittere Erfahrung machen müssen, dass die „Wahrheit“ der christlichen Lehre in Japan nicht überall auf fruchtbaren Boden fällt. Während sich gerade die hart arbeitenden Bauern von der Vorstellung eines Paradieses angezogen fühlten, in dem sie nach ihrem Tod weder schwer arbeiten noch Hunger leiden würden müssen, sahen die japanischen Feudalherren ihre Autorität in der bisherigen Machtordnung gefährdet und gingen äußerst brutal gegen die Jesuiten und die zum Christentum konvertierten Japaner vor. 
Sowohl für die beiden Jesuiten Sebastião und Francisco als auch für die japanischen Christen erweist sich die Situation zunehmend als Kampf um die Standfestigkeit ihres Glaubens, was Scorsese und sein für den Oscar nominierter Kameramann Rodrigo Prieto („Brokeback Mountain“, „Babel“) in klaren, fast schon starren Bildern eingefangen haben, die einerseits die wilde Schönheit Japans (gedreht wurde allerdings in der taiwanesischen Hauptstadt Taipeh), andererseits das Ringen der Christen mit ihrem Glauben abbilden. Die Folterszenen werden dabei moderat inszeniert, wobei Scorsese keine Partei für die eine oder andere Seite ergreift, sondern nur deutlich zu machen versucht, wie fest die jeweiligen Gläubigen ihre Positionen zu verteidigen verstehen. 
Während Liam Neeson wie schon in Scorseses „Gangs of New York“ schon früh von der Bildfläche verschwindet, wird Andrew Garfield („The Amazing Spider-Man“, „Hacksaw Ridge“) als Sebastião zum Dreh- und Angelpunkt des eindringlichen religiösen Dramas, das mit knapp drei Stunden Laufzeit etwas lang geraten ist, aber das Ringen um religiöse Anschauungen wirklich packend umgesetzt hat. 

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