Departed: Unter Feinden
Es gehört zu den großen unverständlichen Mysterien Hollywoods, dass ein begnadeter Filmemacher wie Martin Scorsese nach vierzig Jahren im Filmgeschäft und unbestrittenen Meisterwerken wie „Wie ein wilder Stier“, „Taxi Driver“, „GoodFellas“ und „Casino“ noch mit keinem Oscar geehrt worden ist. Den bekam er dann 2007 überraschenderweise für „Departed: Unter Feinden“, seinem Remake der Hongkong-Produktion „Internal Affairs“ (2002). Die Auszeichnung hat er vor allem dem großartigen Schauspieler Jack Nicholson zu verdanken, mit dem Scorsese erstmals zusammenarbeitete und der aus einem illustren Ensemble herausragt.
Um dem organsierten Verbrechen in Boston den Kampf anzusagen, haben Queenan (Martin Sheen) und sein Assistent Dignam (Mark Wahlberg) die geheime Sondertruppe Special Investigation Unit (SIU) von undercover arbeitenden Cops gegründet, in die auch der frisch gekürte State Trooper Billy Costigan (Leonardo DiCaprio) berufen und auf den irischen Gangsterboss Costello (Jack Nicholson) angesetzt wird, da bereits Billys Onkel Mitglied der irischen Mafia gewesen war. Billy verliert dabei seine offizielle Identität, wird unehrenhaft aus dem Dienst entlassen und verbringt einige Zeit im Knast, um dann durch Billys Vorgehen gegen zwei italienische Schutzgeldeintreiber aus Providence Costellos Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Da Costello der Polizei immer einen Schritt voraus zu sein scheint, vermuten Queenan und Dignam, dass der irische Gangsterboss einen Informanten bei der Bostoner Polizei hat, den Billy identifizieren soll. Tatsächlich hat Costello mit Billys State-Trooper-Kollegen Colin Sullivan (Matt Damon) schon seit dessen Kindheit einen Informanten herangezogen, der ihm jetzt als ehrgeiziger Detective bei der Massachusetts State Police über jeden Schritt informiert, den seine Kollegen gegen ihn unternehmen. Aus dieser Konstellation ergibt sich, dass sowohl die Cops als auch die Gangster jeweils einen Maulwurf der anderen Seite in ihren Reihen vermuten, und sowohl Billy als auch Colin wird von ihren Bossen aufgetragen, quasi sich selbst zu entlarven.
Pikanterweise verlieben sich Billy und Colin, die einander nicht kennen, auch noch in dieselbe Frau. Die attraktive Polizeipsychologin Madolyn (Vera Farmiga) verliebt sich zunächst in den aufstrebenden Colin, zieht zu ihm in sein Luxusapartment mit Blick auf die goldene Kuppel des Parlamentsgebäudes und bekommt es während ihrer Arbeit mit Billy zu tun, der immer stärker darunter leidet, dass er eigentlich den zwielichtigen Verhältnissen, in die er hineingeboren wurde, verlassen wollte und nun durch seine Arbeit als Cop wieder genau dort gelandet ist. Je mehr Billy und Colin gefordert sind, ihren Chefs Erfolge bei der Jagd auf die Verräter zu liefern, geraten sie immer stärker unter Druck, sich nicht selbst ans Messer zu liefern …
Kritik:
Eigentlich hatte Martin Scorsese keine Lust, ein Remake zu drehen, doch das Drehbuch von William Monahan („Königreich der Himmel“, „Der Mann, der niemals lebte“) hat ihm so zugesagt, dass er auch das Risiko einging, für Warner Bros. mit einem Star-Aufgebot einer größeren Kontrolle durch das Studio zu unterliegen. Scorsese erweist sich in dem geradlinigen Thriller über Verrat und Identität einmal mehr als Meister der pointierten Inszenierung, kann sich dabei ebenso auf die Künste langjähriger Weggefährten wie Kameramann Michael Ballhaus („GoodFellas“, „Bram Stokers Dracula“), Cutterin Thelma Schoonmaker und Filmkomponist Howard Shore („Gangs of New York“, „A History of Violence“) verlassen wie auf das stark aufspielende Ensemble.
Hier überragt Urgestein Jack Nicholson („Einer flog übers Kuckucksnest“, „Shining“) mit seiner physisch überaus präsenten und doch bemerkenswert zurückhaltenden Darstellung als Gangsterboss mit Vorliebe für Macht, Koks und schöne Frauen einfach alles und jeden. Wie er die beiden jungen Cops Billy und Colin auf verschiedenen Seiten für seine Zwecke einspannt ist einfach genüsslich anzusehen. Auf der anderen Seite sind sowohl Matt Damon („Der talentierte Mr. Ripley“, „Good Will Hunting“) als strebsamer State Trooper und Leonardo DiCaprio („Aviator“, „Titanic“) als Undercover-Cop auf der Suche nach einer eigenen Identität ebenso perfekt besetzt wie Alec Baldwin als Chef der Einsatztruppe gegen das organisierte Verbrechen, der bei seinen Kollegen der SIU allerdings gegen eine Wand läuft, was die Offenlegung der Identität ihrer Undercover-Leute angeht. Mark Wahlberg („The Gambler“, „The Fighter“) lässt genüsslich das provozierende Arschloch heraushängen, Ray Winstone („The Proposition“, „Auftrag Rache“) überzeugt als Costellos treue rechte Hand und Vera Farmiga in der einzigen Frauenrolle als feinfühlige Psychologin zwischen zwei Männern.
So virtuos Scorsese die Jagd nach Verrätern mit geschliffenen Dialogen, eindrucksvollen Bildern und furiosen Schnitten auch inszeniert hat, bleiben die einzelnen Figuren doch eigentümlich leblos, so dass das blutige Finale mit unzähligen Toten eher schulterzuckend zur Kenntnis genommen wird. Die Oscars in den Kategorien Bester Film, Beste Regie, Bestes adaptiertes Drehbuch und Bester Schnitt gehen aber voll in Ordnung und verleihen Martin Scorsese endlich den Respekt, den er sich über all die Jahre redlich verdient hat.
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