Gangs of New York
Nachdem Martin Scorsese weder mit „Zeit der Unschuld“ (1993) noch mit „Casino“ (1995) oder „Bringing Out the Dead“ (1999) die Erwartungen der jeweils produzierenden Studios erfüllen konnte, doch dann machte ihm sein Freund, Produzent Mike Ovitz, mit zwei Leuten seiner neu gegründeten Artist Management Group zusammen, die Scorsese ermöglichten, ein Projekt seiner Wahl zu realisieren. Scorsese musste nicht lange überlegen und entschied sich für die Adaption von Herbert Asburys 1928 erschienen Buch „Gangs of New York“. Zwar stand dem New Yorker Filmemacher sein Lieblingsschauspieler Robert De Niro nicht zur Verfügung, doch ebnete das blutige Epos über den Aufstieg New Yorks zur Weltmetropole den Weg zur weiteren Zusammenarbeit zwischen Scorsese und Hollywood-Star Leonardo DiCaprio.
Inhalt:
New York im Jahr 1846. Die Five Points, eins der Elendsviertel im Süden Manhattans, wird von erbitterten Bandenkriegen beherrscht. Als der „Priester“ Vallon (Liam Neeson), der Anführer der irischstämmigen Dead Rabbits, im Kampf gegen die Natives von deren Anführer William „The Butcher“ Cutting (Daniel Day-Lewis) getötet wird, wächst sein Sohn Amsterdam (Leonardo DiCaprio) in einer Besserungsanstalt auf Roosevelt Island auf und kehrt im September 1862 in seine Heimat zurück, um Rache an dem Mörder seines Vaters zu nehmen. Während Präsident Lincoln 300.000 Freiwillige für den Sezessionskrieg sucht und sie mit drei warmen Mahlzeiten pro Tag und einem guten Sold anwirbt, gelingt es Amsterdam mit Hilfe seines alten Freundes Johnny Sirocco (Henry Thomas) in den engeren Kreis des Metzgers vorzudringen, der mittlerweile wie ein König in dem Viertel herrscht. Als sich Amsterdam aber in die hübsche Taschendiebin Jenny Everdeane (Cameron Diaz) verliebt, auf die Johnny schon länger ein Auge geworfen hatte, verrät dieser dem Metzger Amsterdams wahre Identität und lässt dem Verräter ein Brandzeichen ins Gesicht brennen. Nachdem Jenny ihren Geliebten gesundgepflegt hat, sucht dieser die Nähe zum korrupten Politiker William M. Tweed (Jim Broadbent), dem er irische Wählerstimmen verspricht. Als aber der aussichtsreiche irische Kandidat Monk McGinn (Brendan Gleeson) von Bill the Butcher auf offener Straße ermordet wird, trommelt Amsterdam seine Leute zum Kampf gegen die Natives auf …
Kritik:
Vor dem Hintergrund des Bürgerkriegs, der auch New York in einen Strudel aus Gewalt und Korruption reißt, erzählt Martin Scorsese einmal mehr von seiner Lieblingsstadt. Während seine früheren Filme allerdings in einer Zeit spielen, die der Filmemacher selbst miterlebt hat, geht er mit „Gangs of New York“ zu den Wurzeln der Stadtgeschichte zurück. Jay Cocks, der Scorsese bereits den Stoff von „Zeit der Unschuld“ nahegebracht hatte, verfasste ein knapp 180-seitiges Drehbuch, das aber auf Druck von Produzent Harvey Weinstein von Steven Zaillian („Schindlers Liste“, „American Gangster“) umgeschrieben wurde. Die Dreharbeiten in den berühmten Cinecittà-Studios in Rom, wo bereits Klassiker wie „Ben Hur“, „Das süße Leben“ und „Cleopatra“ gedreht wurden, erwiesen sich dann unter Weinsteins Kontrolle auch als schwierig, das Budget war bald überzogen.
„Gangs of New York“ fasziniert vor allem durch sein großartiges Produktionsdesign, für das Dante Ferretti („Interview mit einem Vampir“, „Unterwegs nach Cold Mountain“) verantwortlich zeichnet und die Bars, Fabriken, Opiumhöhlen, Brauereien und unterirdischen Höhlen und Labyrinthe auf beeindruckende Weise ebenso zum Leben erweckt wie Kameramann Michael Ballhaus mit seinen oft ockergetönten Bildern, die den Dreck und den Schlamm und das Blut wunderbar zur Geltung bringen. So packend allerdings der Auftakt mit dem Kampf zwischen den Banden von Bill the Butcher und dem Priester gelungen ist und das Publikum auf die kommenden knapp drei Stunden einstimmt, so verliert das Drama mit Tod des Priesters leider schon viel zu früh eine von Liam Neeson („Schindlers Liste“, „Rob Roy“) charismatisch verkörperte Figur. Danach trägt vor allem der temperamentvoll agierende Daniel Day-Lewis („Im Namen des Vaters“, „Mein linker Fuß“) die Geschichte auf seinen Schultern. Wie der von ihm dargestellte Metzger die Geschicke der Stadt lenkt und Amsterdam als engen Vertrauten aufbaut, bis sie sich als unerbittliche Feinde gegenüberstehen, stellt den Dreh- und Angelpunkt des Films dar, der wegen seiner geradlinigen Dramaturgie aber auch Längen aufweist, die durch die wenig überzeugende Liebesgeschichte zwischen Amsterdam Vallon und der Taschendiebin kaum wettgemacht werden können.
Überhaupt scheint Scorsese bei „Gangs of New York“ weniger an den Figuren als an der Geschichte seiner Heimatstadt interessiert gewesen zu sein. Zwar wurde der Film für immerhin zehn Oscars nominiert, doch ging er in allen Kategorien (u.a. bester Film, beste Regie, beste Kamera, bester Hauptdarsteller) leer aus.
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