Casino
Nach seinem ambitionierten, aber an der Kasse gefloppten Bibel-Epos „Die letzte Versuchung Christi“ (1988) bemühte sich der New Yorker Filmemacher Martin Scorsese darum, mit seinen nächsten Filmen nicht nur den Studios Geld in die Kassen zu spielen, sondern auch sein Portfolio auszudehnen. So folgten mit dem Meisterwerk „GoodFellas – Drei Jahrzehnte in der Mafia“ (1990) der ultimative Mafiafilm, mit „Kap der Angst“ (1991) sein erster echter Thriller und mit „Zeit der Unschuld“ (1993) ein Kostüm- und Liebesdrama. Mit „Casino“ arbeitete Scorsese schließlich erneut mit „GoodFellas“-Autor Nicholas Pileggi zusammen, der diesmal das Treiben der Mafia in Las Vegas unter die Lupe nahm.
Inhalt:
Sam „Ace“ Rothstein (Robert De Niro) hat sich in den vergangenen Jahren einen Namen als überaus erfolgreicher Glücksspieler und Buchmacher gemacht, weshalb ihn Remo Gaggi (Pasquale Cajano), Boss der Cosa Nostra in Chicago, damit beauftragt, das neue Casino Tangiers in Las Vegas zu leiten, was insofern bemerkenswert ist, dass er als Jude nicht zur italoamerikanischen Clique gehört. Um Probleme mit seinen Vorstrafen zu umgehen, beantragt er nur eine Lizenz als Restaurantmanager, während der „Saubermann“ Phillip Green (Kevin Pollak) als offizieller Casino-Manager eingesetzt wird. Während Green alles unterschreibt, was ihm vorgelegt wird, sorgt Ace dafür, dass Senatoren und andere hochrangige Amtsträger ihre Gratissuiten und Schmiergelder bekommen, dass Falschspieler zur Räson gebracht werden und ein kleinmaschiges Kontrollsystem installiert wird, das verhindert, dass Angestellte in die eigene Taschen arbeiten.
Da Ace mit einem perfekten Riecher für faule Methoden ausgestattet ist, gelingt es ihm in kürzester Zeit, den Umsatz des Hauses zu verdoppeln. Remo ist mehr als zufrieden mit der Art und Weise, wie Ace die Geschäfte führt, lässt er sich durch einen Boten doch regelmäßig die Anteile für seine Leute aus dem Zählraum an allen Kontrolleuren und den Büchern vorbei in einem Koffer zu sich bringen. Ace‘ alter Jugendfreund Nicky Santoro (Joe Pesci) passt darauf auf, dass der Geldfluss ungestört strömen kann, notfalls hilft er mit Gewalt ordentlich nach. Doch bald ihm reicht es ihm nicht mehr, nur der Handlanger seines alten Freundes zu sein, und stiegt selbst ins Geschäft mit den Drogen ein, wofür ihm sein Juwelierladen in der Wüste als Tarnung dient. Da er es allerdings trotz Ace‘ nachdrücklicher Warnung nicht lassen kann, in den Spielcasinos falsch zu spielen, kommt sein Name ins gefürchtete Black Book, womit er aus allen Casinos in Las Vegas verbannt wird. Aber auch Ace gerät in Schwierigkeiten, als er sich in die koksende Edelprostituierte Ginger McKenna (Sharon Stone) verliebt und sie heiratet. Ein gemeinsames Haus und Kind hält den Schein einer normalen Familie aufrecht, doch Ginger geht es letztlich nur darum, selbst einen guten Schnitt zu machen. Als sie immer mehr dem Alkohol und den Drogen zuspricht, droht auch Ace die Kontrolle über sein Leben und seine Geschäfte zu verlieren, womit er für Remo zum Risikofaktor wird …
Kritik:
Noch bevor Nicholas Pileggi seinen Roman über den berüchtigten Mafioso Frank „Lefty“ Rosenthal beenden konnte, arbeitete er mit Martin Scorsese an einem Drehbuch über Rosenthal, seine Frau Geri und seine rechte Hand Anthony „Ameise“ Spilotro, für das Pileggi etliche Interviews mit Zeugen und Rosenthal selbst führte. Dazu wurden sämtliche verfügbaren Zeitungsartikel hinzugezogen, um ein möglichst authentisches Bild der Mafia-Geschäfte in Las Vegas zu zeichnen. Ähnlich wie bei seinem gefeierten Epos „GoodFellas“ erweist sich Scorsese bei „Casino“ als akribischer Erzähler.
Den Großteil der Geschichte lässt er durch Robert De Niros Figur Ace Rothstein aus dem Off erzählen, wobei die Autoexplosion zu Beginn, deren Flammen den kunstvoll inszenierten Vorspann illustrieren, einen fesselnden Auftakt darstellt, der den Zuschauer sofort zum Gefangenen macht. Zusammen mit dem großartigen Kameramann Robert Richardson („Kill Bill“, „Schnee, der auf Zedern fällt“) führt Scorsese sein Publikum direkt in die schillernde Welt eines echten Casinos, wo die leuchtenden Farben und die schicken Anzüge eine ganz andere Welt widerspiegeln als die dürre Wüste um Las Vegas herum, wo die Gangster ihre Leichen entsorgen.
Es gibt viele Parallelen zwischen „GoodFellas“ und „Casino“, zunächst natürlich das Gespann Robert De Niro und Joe Pesci in ganz ähnlicher Konstellation mit De Niros Figur als Boss und Pesci in der Rolle des skrupellos brutalen Aufräumers und Aufpassers. Auch der Gang des Boten durch den Zählraum erinnert frappierend an Ray Liottas Marsch durch die Restaurantküche in den Gastraum von „GoodFellas“.
Mit unzähligen Kostümen für die Hauptdarsteller, echten Casino-Mitarbeitern, die während der regulären Geschäftszeiten gefilmt wurden, und coolem 70er-Jahre-Soundtrack hat Scorsese ein episches Drama über Ruhm, Gier und Niedergang inszeniert, wobei De Niro und Pesci gewohnt großartig in vertrauten Rollen zu sehen sind, während Sharon Stone („Basic Instint“, „Sliver“) die bemerkenswerteste Rolle als Edel-Prostituierte spielt, die Ace nicht aus Liebe, sondern des Geldes wegen heiratet und dafür teuer bezahlen muss. Zusammen mit James Woods, der ihren ehemaligen Geliebten und Loser Lester spielt, bringt sie eine menschliche Komponente in den Film, der sonst nur auf das Zählen und Anhäufen von Geld reduziert zu sein scheint – und auf Gewalt, mit der jede Abweichung von der Geschäftsroutine brutal bestraft wird.
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