Express in die Hölle

Eigentlich hatte Akira Kurosawa vor, sein eigenes Drehbuch zu „Runaway Train“ 1966 in den USA zu verfilmen, doch nachdem die Produktion eingestellt worden ist, musste das Projekt fast zwanzig Jahre warten, ehe der russische Regisseur Andrej Konchalovskiy 1985 sein Hollywood-Debüt damit feiern durfte. Nicht zuletzt durch die starken, jeweils Oscar-nominierten Leistungen der beiden Hauptdarsteller Jon Voight und Eric Roberts wurde „Express in die Hölle“ auch international zu einem Erfolg und darf heute als Klassiker des intelligenten Actionfilms betrachtet werden. 

Inhalt: 

Der lebenslänglich inhaftierte Oscar „Manny“ Manheim (Jon Voight) will sich nicht länger den Demütigungen durch den sadistischen Direktor Ranken (John P. Ryan) aussetzen, und nachdem er knapp einem Mordanschlag entgehen konnte, flüchtet er eines Nachts aus dem Hochsicherheitsgefängnis in Alaska. Sein jüngerer Mithäftling Buck (Eric Roberts), der Manny über alle Maße bewundert und ihn durch die Sicherheitsschleuse in einem Wäschewagen bis zur Kanalisation bringt, entschließt sich kurzerhand, ebenfalls auszubrechen, und folgt Manny durch die stinkende Kloake in die Freiheit. 
Ihre Flucht führt sie zu einem Bahnhof, wo sie auf einen aus vier schweren Dieselloks bestehenden Zug springen. Sie ahnen nicht, dass der Lokführer gerade einen Herzanfall erlitten hat und aus dem Zug gefallen ist. Zwar konnte er vor seinem Tod noch die Notbremse aktivieren, doch nachdem die Bremsbeläge verschmort sind, nimmt die Geschwindigkeit des führerlosen Zuges immer mehr zu. Während sich Buck über seine neu gewonnene Freiheit nur noch freut, kommt Manny die ungebremste Fahrt durch die verschneite Landschaft seltsam vor, zumal keine der vertrauten akustischen Signale eines fahrenden Zuges zu vernehmen sind. Währenddessen versuchen Frank Barstow (Kyle T. Heffner) und Eddie MacDonald (Kenneth McMillan) von der Eisenbahngesellschaft, den Zug irgendwie zu stoppen bzw. auf ein Nebengleis umzuleiten. Ein entgegenkommender Zug wird auf ein Ausweichgleis manövriert, doch kann ein Zusammenstoß mit dem letzten Waggon nicht mehr vermieden werden. 
Etwas problematischer gestalten sich die Herausforderungen durch eine hölzerne Brücke, die nur für eine Geschwindigkeit von fünfzig Meilen ausgelegt ist (der Zug hat mehr als 80 Meilen drauf), und eine Chemiefabrik. Manny und Buck machen derweil die Bekanntschaft mit der Arbeiterin Sarah (Rebecca De Mornay), die auf der Suche nach Schutz vor der Kälte in einer der Loks eingeschlafen war und nun alles dafür tut, den Zug zu verlangsamen und die Eisenbahngesellschaft zu informieren, dass Menschen an Bord des Zuges sind. Der soll nämlich auf ein totes Gleis geleitet werden… 

Kritik: 

Zunächst erscheint „Express in die Hölle“ wie ein gewöhnlicher Flucht-aus-dem-Gefängnis-Film, wenn er die unsäglichen Zustände in dem brutal geleiteten Hochsicherheitsgefängnis in Alaska beschreibt, den alltäglichen Dreck und die Gewalt thematisiert, die sich gelegentlich in organisierten Boxkämpfen entladen darf. Nach den atmosphärisch eindringlichen Bildern vom desillusionierenden Gefängnisleben wirkt die Begegnung mit der verschneiten Außenwelt umso verstörender. Auf einmal sind Manny und Buck frei wie Vögel, und doch sind sie bald wieder gefangen, diesmal in einem unkontrolliert auf den Schienen dahinrasenden Zug.  
Konchalovskiy („Tango & Cash“, „Der innere Kreis“) versteht es meisterhaft, Spannung in einem kammerspielartigen Drama zu erzeugen, das sich einerseits in dem beengten, vor Kälte starrenden Inneren einer Lokomotive, andererseits in der Schaltzentrale der Eisenbahngesellschaft abspielt, wo den Verantwortlichen der Schweiß auf der Stirn steht. Vor allem die verschiedenen Bemühungen von Manny und Buck, den Zug zu verlangsamen, sind atemberaubend in Szene gesetzt, aber auch die Spannungen zwischen den beiden Männern sind überzeugend herausgearbeitet, denn in dieser existentialistischen Extremsituation wird deutlich, wie unterschiedlich die Verwirklichung ihrer jeweiligen Träume aussehen. Vielleicht sind sich der kompromisslose Manny und der sadistische Ranken doch ähnlicher, als sie annehmen, während der mutige, aber nicht besonders helle Buck gar keine rechte Vorstellung davon zu haben scheint, was er mit der neugewonnenen Freiheit überhaupt anfangen soll. 
„Express in die Hölle“ ist ein ungewöhnlich philosophisch angehauchter Actionfilm und deshalb erfrischend vielschichtig und zeitlos. Das lässt sich nur von den wenigsten Genre-Werken sagen.  

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