Hillbilly-Elegie

Als 2016 in den USA J.D. Vances autobiografischer Roman/Sachbuch „Hillbilly Elegy: A Memoir of a Family and Culture in Crisis“ erschien, wurde es gern als Erklärung dafür herangezogen, warum der sogenannte „White Trash“, also die ökonomisch und gesellschaftlich abgehängte weiße Unterschicht den Wahlsieg von Donald Trump ermöglicht hat. Ron Howard („A Beautiful Mind“, „Apollo 13“) hat die literarische Vorlage allerdings auf die Aufstiegsgeschichte des Autors fokussiert, der seine schwierigen familiären Wurzeln in den Appalachen hinter sich gelassen hat und sein Jurastudium in Yale erfolgreich absolviert hat. 

Inhalt: 

J.D. (Gabriel Basso) schlägt sich, um sein Jurastudium in Yale zu finanzieren, mit drei Jobs über die Runden, doch reicht das verdiente Geld nicht, um die kommenden Studiengebühren bezahlen zu können. Abhilfe könnte nur ein Job in einer renommierten Kanzlei schaffen. Doch gerade als er ein Dinner besucht, bei dem er den geschäftsführenden Partner Phillip Roseman (Stephen Kunken) kennenzulernen hofft, bekommt er einen verzweifelten Anruf seiner Schwester Lindsay (Haley Bennett), dass ihre Mutter Bev (Amy Adams) mit einer Überdosis Heroin ins Krankenhaus eingeliefert worden ist. Hin- und hergerissen zwischen der wichtigsten Bewerbung in seinem Leben und der Sorge um seine Familie, reist J.D. in seine Heimatstadt im Süden Ohios und wird durch das Wiedersehen mit seiner Mutter an die problematischen Beziehungen in seiner Familie erinnert. 
Schon als Kind musste J.D. (Owen Aszalos) unter den Temperamentsausbrüchen seiner Mutter leiden, die - fast noch selbst ein Kind – früh in ihrem Leben schwanger geworden ist und mit ihrem Freund durchgebrannt ist, durch ihre Drogensucht ihren Job als Krankenschwester verlor und immer wieder von ihrer Mutter, Mamaw (Glenn Close), und Papaw (Bo Hopkins) aufgefangen worden ist. Der junge J.D. hat es schließlich vorgezogen, ebenfalls bei Mamaw aufzuwachsen, doch nach Papaws Tod scheint die Familie auseinanderzubrechen. Von all dem weiß J.D.s indischstämmige Freundin Usha (Freida Pinto) nichts… 

Kritik: 

In ihrer Adaption von J.D. Vances Bestseller hat Vanessa Taylor („Die Bestimmung – Divergent“, „Shape of Water: Das Flüstern des Wassers“) die politischen Dimensionen des heiß diskutierten Buches komplett außen vorgelassen und stattdessen ein reines Familiendrama mit unterschiedlichen Zeitebenen geschaffen. Dass J.D. Vances Vorfahren einst in der Stahlfabrik arbeiteten, bis die komplette Industrieregion vor die Hunde gegangen ist, wird nur in einem Nebensatz erwähnt, ansonsten sorgen die deutlichen Bilder der heruntergekommenen Holzhäuser, die vollgemüllten Spülen und die omnipräsente Armut dafür, dass dem Zuschauer in jedem Moment bewusst ist, dass hier die Lebensverhältnisse der weißen Unterschicht thematisiert werden. Die offensichtlich schwierige Beziehung zwischen Mamaw und ihrer Tochter Bev wird allerdings nicht hinreichend auf ihre Ursachen untersucht. 
Stattdessen begnügt sich Ron Howard damit, die beiden herausragenden Darstellerinnen Amy Adams („Arrival“, „The Fighter“) und Glenn Close („Eine verhängnisvolle Affäre“, „Gefährliche Liebschaften“) einander anschreien zu lassen. Immer wieder wird durch eingeschobene Zeitsprünge versucht, Erklärungen für das auf den ersten Blick schwer verständliche Verhalten der Protagonistinnen zu finden, doch wird kaum eine Episode sinnvoll zu Ende geführt, so dass nur der Eindruck eines zerfaserten Plots entsteht. All die erinnerten Verfehlungen, die oft genug die Polizei auf den Plan riefen, dienen letztlich weniger dazu, die komplexe Familienstruktur verständlich zu machen, als vielmehr den Wert des Aufstiegs herauszuschälen, den J.D. unter diesen Voraussetzungen absolviert hat. 
Dem bemühten Ensemble kann man keinen Vorwurf machen, dass „Hillbilly-Elegie“ nur ein mit allen Mitteln aufgeputschtes Familiendrama geworden ist. Hier haben Vanessa Taylor und Ron Howard eine große Chance verschenkt, den Ursachen für die politische Protesthaltung der weißen Unterschicht auf den Grund zu gehen.  

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