Ende der 1960er Jahre avancierte Robert Redford mit
Hauptrollen in „Barfuß im Park“ und „Zwei Banditen“ zum Hollywood-Star,
der seine Popularität dazu einsetzte, zunächst auch als Produzent eher
linksliberale Themen – wie in Alan J. Pakulas „Die Unbestechlichen“
– umzusetzen, dann auch als Regisseur Akzente zu setzen. Nach seinem Regiedebüt
mit „Eine ganz gewöhnliche Familie“ (1980), das ihm gleich einen Oscar für
die beste Regie einbrachte, den Dramen „Milagro – Der Krieg im Bohnenfeld“ (1988),
„Aus der Mitte entspringt ein Fluss“ (1992) und „Quiz Show“
(1994) inszenierte Redford 1998 Nicholas Evans‘ Bestseller „Der
Pferdeflüsterer“ als fast dreistündiges Western-Melodram mit großartigen
Schauwerten und der jungen Scarlett Johansson in ihrer ersten größeren
Rolle.
Inhalt:
Während eines wintermorgendlichen Ausritts unterhalten sich
die dreizehnjährige Grace (Scarlett Johansson) und ihre beste Freundin
Judith (Kate Bosworth) gerade über einen süßen Jungen, als Judiths Pferd
auf einem Hang ins Rutschen kommt und auch Grace mit ihrem Pferd Pilgrim die
Kontrolle verlieren lässt. Als sie auf einer Landstraße zum Stehen kommen,
werden sie von einem Lastwagen erfasst – mit schrecklichen Folgen: Während
Judith und ihr Pferd noch am Unfallort ihren Verletzungen erliegen, wird der
schwerverletzten Judith im Krankenhaus das rechte Bein amputiert. Entsprechend
geschockt treffen Graces Eltern – der erfolgreiche Anwalt Robert MacLean (Sam
Neill) und die leitende Redakteurin Annie (Kristin Scott Thomas)
dort ein. Die Tierärztin Liz Hammond (Cherry Jones) bekniet Annie am
Telefon, Pilgrim einschläfern zu lassen, doch da Annie mit der Situation
überfordert ist, drängt sie Liz dazu, alles zu tun, um Pilgrim zu helfen. Das
führt allerdings dazu, dass sich Annie überlegen muss, wie sie sowohl ihre
traumatisierte Tochter als auch das angeschlagene Pferd wieder in die Spur bekommen
kann. Dabei soll ihr ein Mann - Tom Booker (Robert Redford) - helfen, der
in einem Zeitschriften-Artikel als „Pferdeflüsterer“ bezeichnet wurde und eine Rinderfarm
in Montana unterhält. Annie und Grace unternehmen mit Pilgrim die lange Reise
von New York nach Montana, wo Booker mit seinem Bruder Frank (Chris Cooper)
und dessen Familie ganz im Einklang mit der Natur lebt. Tom lässt sich auf die
schwierige Aufgabe ein und kommt nicht nur dem Pferd näher, sondern auch Annie,
die hier ein ganz anderes Leben vorfindet als im quirligen New York…
Kritik:
Zwar scheint es in „Der Pferdeflüsterer“ in erster
Linie um die Heilung der geschundenen Körper und Seelen der jungen Grace und
ihrem Pferd zu gehen, doch Robert Redford nutzt den Stoff auch dazu, um
die Kontraste zwischen dem hektischen Leben in der Großstadt und dem ganz
anderen Leben in der Natur hervorzuheben. Dabei braucht es nur ein paar Szenen
in Annies Büro, um hervorzuheben, dass Annie in allen Dingen das Heft in der
Hand hat und über die Arbeit kaum Zeit für ihre Familie findet. Entsprechend
viel Zeit nehmen sich Redford und sein Kameramann Robert Richardson
(„Casino“, „Natural Born Killers“) für das Leben auf der Ranch in Montana,
wobei die weitläufigen Landschaftspanoramen bei dramatischen Wolkenformationen
und Sonnenuntergängen bereits die romantische Stimmung vorwegnehmen, die sich
natürlich im Lauf der Geschichte zwischen Annie und Tom anbahnt. Redford
beschreibt in vielen Einstellungen die gemeinsamen Mahlzeiten und die in
Teamarbeit geleistete Impfung und brandzeichnen der jungen Rinder, die
ausgelassenen Feiern bei Live-Country-Musik und die Ausritte durch die endlos
scheinenden Landstriche, die nur von den Bergen in der Ferne begrenzt werden. Robert
Redford spielt dabei den ehemaligen Großstädter, der nach einem Ingenieursstudium
und der gescheiterten Heirat mit einer Cellistin in Chicago ausgestiegen ist
und vergeblich hofft, dass Annie einen ähnlichen Weg gehen kann, um mit ihm auf
der Familienranch zu leben.
Bis dahin wird natürlich viel mit Pilgrim
gearbeitet und Aufbauarbeit für Grace betrieben, aber die Anziehung zwischen Annie
und Tom bildet bald den melodramatischen Kern des Plots. Das ist über eine Spielzeit
von 163 Minuten etwas arg viel, bietet aber großartig fotografierte Unterhaltung
mit attraktiven Stars und angenehm zurückhaltender Musik von Thomas Newman
für einen gemütlichen Sonntagnachmittag.
Kommentare
Kommentar veröffentlichen