B-Movie - Lust & Sound in West-Berlin 1979-1989

Bevor am 9. November 1989 die Berliner Mauer geöffnet und der Weg zur Vereinigung der Bundesrepublik Deutschland mit der Deutschen Demokratischen Republik geebnet wurde, pulsierte innerhalb der Mauern, in denen West-Berlin wie eine Insel eingeschlossen worden war, ein Jahrzehnt lang das sprichwörtliche Leben. Aus der Perspektive des aus Manchester zugereisten Musikers Mark Reeder erzählt nun der von Jörg A. Hoppe, Heiko Lange und Klaus Maeck inszenierte Film „B-Movie - Lust & Sound in West-Berlin 1979-1989“ in einer großartigen Collage von prickelnd authentischen Archivaufnahmen die Geschichte von Künstlern, die aus dem Post-Punk heraus eine eigene deutsche Musikkultur entwickelten.
Seine Heimatstadt Manchester hat auch den Musiker Mark Reeder maßgeblich beeinflusst. Doch als er in dem Plattenladen, in dem er arbeitet, auf die deutschen Acts Tangerine Dream, Neu! und Kraftwerk aufmerksam wird, packt er seine Siebensachen und zieht nach West-Berlin. Edgar Froese trifft er dort zwar nicht an, weil er mit Tangerine Dream gerade auf England-Tour gewesen ist, aber dafür bekommt er statt eines Wohnungsschlüssels einen Dietrich, mit dem er in der Nähe vom Nollendorfplatz mitten in der Hausbesetzerszene eine schön geräumige Altbau-Wohnung beziehen kann. Da er sowohl Ian Curtis als auch Factory-Chef Tony Wilson kennt, organisiert er ein Joy-Division-Konzert in West-Berlin und übernimmt Gelegenheitsjobs als Manager der Frauen-Band Malaria und Soundmixer bei den Toten Hosen.
Auf seinen nächtlichen Streifzügen durch die angesagten Szene-Clubs wie Risiko und SO36 trifft er den „wahren“ Heino, Blixa Bargeld, Annette Humpe, Die Ärzte, Gudrun Gut und Nick Cave, dem er ein Zimmer in seiner Wohnung zur Verfügung stellt. Es ist die Geburtsstunde von Bands wie Ideal, Einstürzende Neubauten, Ideal und Nick Cave and the Bad Seeds. Sie alle schöpfen ihre besondere kreative Energie aus dem sehr kaputten Berlin, das stellenweise noch in Schutt und Asche liegt und in dem sich Hausbesetzer und Staatsgewalt wilde Schlachten auf den Straßen liefern.
Mark Reeder passt mit seinem provozierenden Military Look ganz wunderbar in den kreativen Schmelztiegel, aus dem schließlich Ideal die Neue Deutsche Welle mitbegründen und Nena sich dank des versierten Managements von Jim Rakete zu einer international erfolgreichen Geldmaschine entwickelt, während die Einstürzenden Neubauten mit ihrem Post-Industrial zumindest in Großbritannien und Japan durchstarten.
Erst als mit der Techno- und Trance-Szene, mit der vom DJ-Künstler Westbam initiierten Love Parade eine neuartige Szene entsteht und sich durch den Mauerfall ein neues Lebensgefühl in Berlin breitmacht, machen die einstigen Szene-Treffpunkte zu und verliert die anarchistische Subkultur ihre Sprengkraft.
„B-Movie“ besteht größtenteils aus faszinierenden Archivaufnahmen, die das pulsierende Leben in den 80er Jahren in West-Berlin wunderbar einfangen. Als Blixa Bargeld um die Teilnahme an einem britischen Film über die Berliner Musikszene gebeten wird, äußert er skeptisch, dass er sich nicht vorstellen könne, das, was Berlin ausmacht, auf Film festhalten zu können. Dass er sich schließlich umstimmen ließ und mit seiner Band Teil dieser außergewöhnlichen Dokumentation ist, macht „B-Movie“ zu einer wirklich runden Sache. Zwar mag der Zuschauer daran zweifeln, ob Mark Reeder wirklich überall dabei gewesen ist, aber wie er mit teilweise erfrischend britischem Humor durch die Berliner Szene führt und dabei auch die politischen und soziokulturellen Hintergründe mit einfließen lässt, macht aus der Collage verschiedener Aufnahmen einen aussagekräftigen Film, der das Lebensgefühl einer außergewöhnlichen Dekade wiederaufleben lässt.
Unbedingt empfehlenswert zu dem Film ist auch der dazugehörige Soundtrack mit Tracks von Malaria, Westbam, Mark Reeder, Shark Vegas, Edgar Froese, Anne Clark, Joy Division, Ideal, Abwärts, Sprung aus den Wolken u.a. auf Doppel-CD.
"B-Movie: Lust & Sound in West-Berlin 1979-1989" in der IMDb

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