Mother!

Wirklich leicht hat es der New Yorker Filmemacher Darren Aronofsky seinem Publikum bislang nie gemacht. Auch wenn er in seiner Filmographie immer mal wieder konventionellere Werke wie „The Wrestler“ und „Noah“ aufzuweisen hat, sind es doch seine anspruchsvolleren und eigenwilligeren Werke wie „Pi“, „Requiem for a Dream“, „The Fountain“ und „Black Swan“ gewesen, die sich dem Betrachter ins filmische Gedächtnis eingeprägt haben. Mit seinem neuen Film „Mother!“ sprengt Aronofsky allerdings einmal mehr den Rahmen selbst bizarrster Leinwand-Alpträume und schickt seine Protagonisten und sein Publikum auf einen apokalyptischen Höllenritt, der gleichermaßen fasziniert, schockiert und abstößt.
In der Abgeschiedenheit irgendwo in der Natur versucht ein populärer Dichter (Javier Bardem), seine anhaltende Schreibblockade zu überwinden, während seine hübsche Frau und Muse (Jennifer Lawrence) mit viel Geduld und Liebe das einst vom Feuer zerstörte viktorianische Landhaus Zimmer für Zimmer restauriert. Als eines Abends ein Fremder (Ed Harris) an die Tür klopft, offenbart sich schnell, wie brüchig die eheliche Beziehung geworden ist: Während die Frau dem Fremden eher skeptisch gegenübersteht, bietet ihm ihr Mann die ganze Breite der Gastfreundschaft samt zeitlich unbegrenzter Übernachtungsmöglichkeit an. Der Dichter fühlt sich durch die Gesellschaft des Fremden, der sich als todkranker Fan entpuppt, zunehmend inspiriert, während seine Frau von unheilvollen Visionen heimgesucht wird.
Die dunklen Vorahnungen setzen der Frau vor allem dann zu, als tags darauf auch noch die Frau (Michelle Pfeiffer) des Fremden in das Haus kommt und ihre Gastgeberin auf die offensichtlichen Eheprobleme anspricht. Tatsächlich verspürt die junge Frau einen bislang unerfüllten Kinderwunsch. Die trügerische Idylle in dem Landhaus bricht schließlich gänzlich zusammen, als auch noch die beiden Söhne (Domhnall und Brian Gleeson) des Gastpaares aufkreuzen und einen heftigen Familienstreit über das Testament ihres Vaters entfachen …
Die Eröffnungssequenz deutet nur ganz kurz an, dass es sich bei Aronofskys „Mother!“ um mehr als ein konventionelles Beziehungsdrama handelt. Was zunächst wie eine visuelle Spielerei wirkt, weicht einer kurzen Beschreibung des Alltags, den der uninspirierte und deshalb auch permanent unzufriedene Dichter und die ihn in jeder Hinsicht unterstützenden, ihre eigenen Bedürfnisse vernachlässigende Frau miteinander verbringen. Zärtliche Gesten bleiben stets oberflächlich und machen zunehmend deutlich, dass der Dichter seine ehelichen Pflichten nicht allzu ernst nimmt. Der Konflikt bricht aber erst offen aus, als das fremde Ehepaar den nicht nur psychologisch zerbrechlichen Lebensraum für sich einnimmt und dafür sorgen, dass sich die Hausherrin zunehmend unwohler fühlt.
Da sie das Haus – im Gegensatz zu ihrem Mann – nie verlässt, bedeutet es ihr alles, und die Beschädigungen, die die respektlosen Gäste ihrem Heim zufügen, verletzen sie selbst bis ins Innerste. Ihrem Mann sind diese Grenzüberschreitungen egal. Er sonnt sich in der Aufmerksamkeit und kann davon nicht genug bekommen, so dass er die nahende Katastrophe nicht wahrnimmt.
Wie Aronofsky die Entfremdung des narzisstischen Dichters von seiner Frau visualisiert, sprengt allerdings jede Norm und wirkt so überzogen, dass es das Publikum spalten muss. Der Dichter ist so von der Inspiration und dem schließlich wieder einsetzenden Erfolg berauscht, dass er nicht merkt, wie seine Frau und mit ihr sein Heim auf apokalyptisch verzehrende Weise zerstört wird. Die Brutalität, mit der der Regisseur dabei zu Werke geht, ist mehr als grenzwertig und übersteigt selbst die Konventionen des Haunted-House-Horror-Genres, weil die Handlungen der Figuren überhaupt nicht mehr nachzuvollziehen sind. Insofern bietet „Mother!“ einen visuell berauschenden, apokalyptisch überhöhten Horror-Trip, aus dem es selbst nach dem schockierenden Finale keine Erlösung, kein Erwachen gibt.
Neben der vorzüglichen Kameraarbeit von Matthew Libatique („Iron Man“, „Black Swan“) sind vor allem die Leistungen von Jennifer Lawrence („Joy“, „Die Tribute von Panem“-Trilogie) und Javier Bardem („Biutiful“, „James Bon 007 - Skyfall“) hervorzuheben, wobei Lawrence mit ihrem nachvollziehbaren Leiden ganz die Sympathien des Publikums auf sich vereint, während Bardem überzeugend den narzisstischen Künstler mimt, dem nur das eigene Schaffen etwas bedeutet und der für die Inspiration sprichwörtlich über Leichen geht.
"Mother!" in der IMDb

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