Harry Brown

Wahrscheinlich hat sich der ehemalige Royal Marine Harry Brown (Michael Caine)seinen Ruhestand etwas anders vorgestellt, denn sein Alltag in dem tristen Londoner Süden bietet ihm nicht mehr, als jeden Morgen einsam in seinem Ehebett aufzuwachen, sich ein einfaches Frühstück zuzubereiten, seine komatöse Frau Kath (Liz Daniels) im Krankenhaus zu besuchen und mit seinem einzigen Freund Leonard (David Bradley) im Pub Schach zu spielen. 
Nachdem Harry schon seine Tochter Rachel viel zu früh beerdigen musste, stirbt nun auch seine geliebte Kath. Und Leonard ist mittlerweile so verängstigt von der Jugendbandenkriminalität, dass er sich ein Messer besorgt hat. Doch die Waffe wird ihm schließlich zum Verhängnis, die jugendliche Gang im Viertel ersticht den alten Mann in einer Fußgängerunterführung. Als Inspector Alice Frampton (Emily Mortimer) und ihr Kollege Sergeant Terry Hicock (Charlie Creed-Miles) Harry über den Tod seines Freundes informieren, betrinkt er sich im Pub und beschließt, Leonards Tod zu rächen. Da die Polizei zwar die üblichen Verdächtigen verhört, aber keine Beweise für eine Mordanklage gegen den Bandenführer Noel (Ben Drew) und seine Jungs sicherstellen können, nimmt Harry das Gesetz in die eigene Hand, besorgt sich bei einem bekannten Drogendealer und Mädchenhändler eine Waffe und macht kurzen Prozess mit den brutalen Jung-Gangstern, die mehr als nur seinen besten Freund auf dem Gewissen haben. 
Ähnlich wie Clint „Dirty Harry“ Eastwood in „Gran Torino“ als verwitweter Veteran gegen die Jugendbandenkriminalität in seinem Viertel vorgeht, schickt der britische Regisseur Daniel Barber Michael Caine als Racheengel hinaus in sein Viertel, um dort wieder für Recht und Ordnung zu sorgen. Doch Barber und sein Harry Brown begeben sich dabei viel tiefer in den Sumpf sozialer Unterschichten, Arbeitslosigkeit, Drogenbeschaffungskriminalität und gewaltbereiter Jugendlicher, als es Clint Eastwood auch nur beabsichtigt hätte. Schon die sehr intensive, mit Handykamera gefilmte Eröffnungssequenz, in der Jugendliche wild in der Gegend herumfahren und aus Jux und Dollerei die Mutter eines zweijährigen Kindes über den Haufen schießen, dann aber selbst von einem Lastwagen erfasst werden, bereitet den Zuschauer auf einen schockierenden Film vor. Dieser nimmt sich aber zunächst die Zeit, Harry Browns eintönigen Alltag zu beschreiben und dann auch das soziale Ghetto, in dem sich die perspektivlosen Jugendlichen zu behaupten versuchen. 
Während Harry Browns erstes Opfer noch aus reiner Notwehr erstochen wird und der Witwer ganz verstört wirkt, verliert er im weiteren Verlauf seiner Rachetour recht schnell jegliche Hemmung, die drogensüchtigen und brutalen Mörder seines Freundes hinzurichten. Im Gegensatz zu den üblichen Vigilante-Thrillern von „Death Wish“ über „A History Of Violence“ bis zu „Death Sentence“ überzeugt „Harry Brown“ auch als atmosphärisch dichte Milieustudie, in der Michael Caine eine starke Präsenz ausstrahlt. 

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