Der Prozess

Frühmorgens schreckt Josef K. (Anthony Perkins) aus dem Bett hoch, doch statt seiner Zimmervermieterin steht ein unbekannter Mann in der Tür und erklärt ihm, dass Herr K. demnächst mit einer Anklage rechnen müsse. Was ihm denn genau vorgeworfen wird, erfährt K. auch auf mehrmalige Nachfrage nicht. Stattdessen trifft er neben den Polizisten auch drei Herren aus seinem Büro, die sich ungeniert an den Sachen seiner Zimmernachbarin, der Nachtclubtänzerin Frau Bürstner (Jeanne Moreau), zu schaffen machen. Um nicht in die Machenschaften ihres verdächtigen Nachbarn hineingezogen zu werden, zieht die attraktive Frau kurzerhand aus. 
Auch Josef K.s Familie macht sich Sorgen um ihren Ruf. Zunächst schickt Onkel Max (Max Haufler) K.s Cousine vor, die Bericht erstatten soll, dann mischt er sich persönlich in die Sache ein und rät dem Angeklagten, sich vom renommierten Anwalt Hastler (Orson Welles) vertreten zu lassen. Der residiert zwar in einem prächtigen Bau, der mit Büchern und Akten vollgestopft ist, doch K. hat nicht das Gefühl, dass Hastler irgendetwas in seiner Sache unternimmt. Dafür kümmert sich Hastlers Haushälterin Leni (Romy Schneider) um K. und verführt ihn, weil sie Männer unter Anklage besonders attraktiv findet, wie K. von Hastler später erfährt. Währenddessen arbeiten die Mühlen der Justiz unerbittlich. K. wird an den merkwürdigsten Orten verhört, trifft auf resignierte alte Menschen mit Schildern um den Hals bewegungslos in der Einöde herumstehen und muss sich in überfüllten Gerichtssälen verantworten. Alle scheinen genau zu wissen, warum Josef K. vor Gericht steht, nur er selbst nicht. Aber nachdem Josef K. nur mit dem Gedanken gespielt hat, Beschwerde gegen das Verfahren einzulegen, werden auch die Beamten, die K. verhört haben, schmerzlichen Bestrafungen unterzogen. 
Irgendwann versteht Josef K. die Welt nicht mehr und trifft auf immer mehr undurchschaubare Menschen, auch auf Frauen, die sich K. aus unerfindlichen Gründen an den Hals werfen. Bald sieht sich K. in einem Labyrinth voller Ankläger, aus dem es kein Entrinnen zu geben scheint. 
Orson Welles („Citizen Kane“, „Im Zeichen des Bösen“) hat sich 1962 der Herausforderung angenommen, einen der bekanntesten Romane von Franz Kafka („Die Verwandlung“, „Das Schloss“) zu verfilmen. In bedrückenden Schwarz-Weiß-Tönen schuf Welles eine klaustrophobische Atmosphäre, die durch triste Hochhaus-Siedlungen, labyrinthische Gänge, unzählige Treppen, verschlossene Räume und riesige Areale angefüllt mit Menschen, Müll, Büchern und Akten eine albtraumhafte Szenerie bilden. Darin bewegt sich ein offenkundig unschuldiger Josef K., der von Anthony Perkins („Psycho I-IV“) überzeugend dargestellt wird und kein Mittel und vor allem keine Menschen findet, die ihn aus der beklemmenden Lage befreien können. 
Orson Welles inszenierte das albtraumhafte Drama so geschickt, dass nicht nur Josef K. an den undurchsichtigen Umständen verzweifelt, auch der Zuschauer wandelt im Dunkeln und Ungewissen, in einer unerklärlichen Welt, in der die Logik und der Verstand der Angst und Anonymität gewichen sind. Orson Welles' düster-verstörendes Meisterwerk ist nun endlich vollständig als Arthaus-Premium-DVD erhältlich, wobei die Szenen, gerade die eindrucksvolle Eröffnungssequenz, die bisher nicht in Deutschland zu sehen waren, nun im englischen Originalton mit deutschen Untertiteln eingefügt wurden. Auf der Bonus-DVD gibt es zudem die sehr interessanteanderthalbstündige Dokumentation „Orson Welles - The One Man Band“

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