Fitzcarraldo
Bevor sich die Wege zwischen dem ehrgeizigen Filmemacher Werner Herzog und dem unberechenbaren Schauspieler Klaus Kinski nach dem Sklavendrama "Cobra Verde" 1987 trennen sollten, setzten sie ihre erfolgreich mit "Aguirre, der Zorn Gottes", "Woyzeck" und "Nosferatu" begonnene Zusammenarbeit 1982 fort, um mit "Fitzcarraldo" in die deutsche Filmgeschichte einzugehen.
Nachdem der aufgeweckte Träumer Brian Sweeney Fitzgerald (Klaus Kinski), genannt Fitzcarraldo, kläglich mit seinem Eisenbahnprojekt gescheitert ist, will er zu Beginn des 20. Jahrhunderts im peruanischen Urwald ein Opernhaus errichten und seinen geliebten Star Enrico Caruso bei der Premiere singen lassen. Doch auch dieses Projekt will finanziert werden. Mit der Hilfe seiner Freundin Molly (Claudia Cardinale), einer vermögenden Bordellbesitzerin, erwirbt er ein scheinbar wertloses Stück Land, auf dem Fitzcarraldo im großen Stil Kautschuk gewinnen möchte. Allerdings ist das Gebiet völlig unzugänglich. Doch kühn wie der Mann ist, kauft er dem Kautschukbaron Don Aquilino (Jose Lewgoy) ein altes Dampfschiff ab und macht es wieder schiffbar. Zusammen mit seiner Crew will Fitzcarraldo sein Land per Schiff erreichen, allerdings nur zum Teil auf dem Wasser: Die eigentliche Herausforderung besteht darin, das Schiff mit Seilwinden und Manneskraft über einen riesigen Berg zu bugsieren.
Heutzutage wäre es keine Frage, gerade den letzten, abenteuerlichen Teil des Films im Studio und am Computer zu realisieren. So hat es auch 20th Century Fox vorgesehen, die "Fitzcarraldo" zunächst produzieren wollte. Doch nicht mit Werner Herzog, der seine Crew bereits bei "Aguirre, der Zorn Gottes" (1972) bei der anstrengenden Plackerei durch Berge und Urwald über die Maßen beanspruchte, dafür aber atemberaubende Bilder produzierte. Herzog produzierte "Fitzcarraldo" zusammen mit Lucki Stipetic schließlich selbst, filmte komplett "on location" und verlangte seinem Team Übermenschliches ab, um die unvorstellbare Kraftaufgabe zu bewältigen. Dazu hatte Herzog große Probleme, die Figur des Fitzcarraldo zu besetzen. Jack Nicholson sprang kurzfristig ab, Jason Robards musste nach einem Zusammenbruch die Dreharbeiten nach der Hälfte abbrechen.
Als der Regisseur Klaus Kinski die Rolle anbot, war dieser zunächst eingeschnappt, nicht gleich gefragt worden zu sein, fand sich dann aber mit seiner ihm eigenen, bis zum Wahnsinn grenzenden Besessenheit in seine Figur hinein. Dabei überrascht, wie dezent Kinskis Spiel im Vergleich zu "Aguirre" und dem späteren "Cobra Verde" ausfällt. Ganz seiner Figur ergeben, gibt sich Kinski ungewöhnlich leise und verträumt, gelegentlich sogar humorvoll. Großartig sind die Bilder im peruanischen und brasilianischen Urwald gelungen, die wunderbar von Popol Vuhs Klängen untermalt werden, hin und wieder scheppert Caruso aus dem Grammophon.
Alles in allem bietet "Fitzcarraldo" ganz großes Abenteuerkino mit majestätisch anmutenden Bildern und Klängen und wunderbar aufeinander abgestimmten Darstellern.
Wie schwierig allerdings der ganze Produktionsprozess abgelaufen ist, zeigt die spannende Dokumentation "Burden of Dreams", die in Spielfilmlänge als Extra der Blu-ray beigefügt ist, die von StudioCanal im Rahmen der schönen "Klaus Kinski/Werner Herzog"-Edition veröffentlicht worden ist.
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