Pulp Fiction

Quentin Tarantino zählt heute zu den begnadetsten Filmemachern Hollywoods. Seine treue Fanschar ebenso wie die ihm wohlgesinnte Journalistengemeinde fiebern jedem neuen Werk des begnadeten Drehbuchautors und Regisseurs mit einem Enthusiasmus entgegen, von dem andere Filmschaffende nur träumen können. Begründet wurde dieser Starkult mit nur einem Werk, dem zweieinhalbstündigen Gangster-Epos "Pulp Fiction" aus dem Jahre 1994. Bereits mit der spektakulären Anfangsszene hat Tarantino sein Publikum im Griff. 
Mit großem Eifer plant das Kleinganovenpärchen Pumpkin (Tim Roth) und Honey Bunny (Amanda Plummer), sich vom Handel mit Alkohol auf das Ausrauben von Restaurants zu verlegen, und beginnt mit dem Diner, in dem sie gerade sitzen. Allerdings befindet sich unter den Gästen auch der ausgebuffte Gangster Jules (Samuel L. Jackson), der gar nicht daran denkt, seinen Aktenkoffer herzugeben. Die Situation droht zu eskalieren. Schnitt, neue Szene. Auf der Fahrt zu ihrem Boss Marsellus Wallace (Ving Rhames) diskutieren Jules und sein Partner Vincent Vega (John Travolta) über den Nährwert von Hamburgern, das Leben in Europa und Fußmassagen. Als sie einer Geisel aus Versehen im Wagen den Kopf wegschießen, soll der Cleaner Mr. Wolf (Harvey Keitel) die Sauerei beseitigen. Von Marcellus Wallace bekommt man nur den schwarzen Hinterkopf mit dem Pflaster auf dem Halsrücken zu sehen. Dafür spielen seine Frau und ein ihm bekannter Boxer die Hauptrollen in den Nebenhandlungen: Der alternde Butch Coolidge (Bruce Willis) soll gegen ein fürstliches Entgelt von Wallace bei seinem anstehenden Kampf in der fünften Runde auf die Bretter gehen. Stattdessen setzt Butch seinen Verdienst in einem Wettbüro auf seinen Sieg. 
Derweil soll sich Vincent einen Abend lang um Wallace' Frau Mia (Uma Thurman) kümmern. Die beiden haben viel Spaß, doch als Vincent die attraktive Lebefrau am nächsten Morgen zuhause absetzt, droht sie nach einer Überdosis Koks draufzugehen. 
Was Tarantino in seinem zusammen mit seinem Freund Roger Avary ersonnenen Film "Pulp Fiction" abfackelt, ist einfach ganz großes, vor Coolness strotzendes Kino, das mit sämtlichen Konventionen des Gangsterkinos bricht. Tarantino durchbricht die Regeln des narrativen Kinos, indem er linear erzählte Episoden mit Zeitsprüngen, wodurch Hauptfiguren plötzlich zu Nebenfiguren werden und die geschilderten Ereignisse immer wieder scheinbar unlogisch gebrochen werden, geschickt miteinander verwebt. Der selbsternannte Filmfreak, der in einer Videothek gearbeitet und in seiner Freizeit unzählige Drehbücher verfasst hat, spielt ganz bewusst mit dem Vertauschen gängiger Muster und Konventionen. Der Zuschauer mag hier und da kurzfristig verwirrt sein, aber Tarantino löst die scheinbaren Widersprüche später wieder auf. Vor allem aber sprühen seine Dialoge vor lebendigem Witz, dass es eine Freude ist, jeden der sympathischen Antihelden durch das turbulente Geschehen zu begleiten. 
Der coole Soundtrack tut ein Übriges, "Pulp Fiction" zu einem Fest für die Sinne zu machen. Vor allem hat Tarantino viel Gespür für die Besetzung der Rollen gehabt: Mit Harvey Keitel und Tim Roth sind wieder zwei erstklassige Darsteller aus Tarantinos fulminanten Debüt "Reservoir Dogs" (1992) dabei, die eigentliche Sensation stellt aber John Travolta ("Saturday Night Fever") dar, dem der Regisseur ein grandioses Comeback bescherte. Die Coolness, die Travolta seiner Figur verleiht, drückt dem ganzen Film ihren Stempel auf. Und Uma Thurman demonstriert als leicht durchgeknallte Gangsterbraut schon einmal ihre fiebrige Leinwandpräsenz, die später Tarantinos Martial-Arts-Epos "Kill Bill" (2003/04) prägen sollte. 
Abgerundet wird dieses großartige Kino-Spektakel durch die für Tarantino längst berühmten Filmzitate, an denen Kinogänger ihre helle Freude haben. Der handwerklich perfekt inszenierte Krimi wurde deshalb folgerichtig mit der Goldenen Palme von Cannes '94 und dem Oscar für das beste Original-Drehbuch ausgezeichnet. 

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