Reservoir Dogs

Bevor Quentin Tarantino mit "Pulp Fiction" quasi über Nacht zu Hollywoods neuem Regie-Wunderkind hochstilisiert worden ist, demonstrierte er bereits mit seinem Debüt "Reservoir Dogs" aus dem Jahre 1992, dass er ein überaus talentierter Filmemacher ist, der gern mit den Konventionen verschiedenster Genres und den Erwartungen des Publikums spielt. "Reservoir Dogs" ist vordergründig ein Heist Movie, offenbart sich aber schnell als Studie über Verrat und Loyalität. 
Sie kennen sich nur bei ihren Spitznamen: Mr. White (Harvey Keitel), Mr. Orange (Tim Roth), Mr. Blonde (Michael Madsen), Mr. Pink (Steve Buscemi), Mr. Blue (Edward Bunker), Mr. Brown (Quentin Tarantino) und Nice Guy Eddie (Chris Penn). Zusammen mit ihrem Boss Joe Cabot (Lawrence Tierney) sitzen sie in einem Diner und philosophieren ausgelassen über die eigentliche Bedeutung von Madonnas "Like A Virgin" (von Tarantino selbst höchst vergnüglich referiert) und die Wichtigkeit von Trinkgeldern für die armen Frauen, die sich durch Kellnern ihren Lebensunterhalt verdienen müssen. Als sie das Lokal verlassen und sich auf den Weg machen, den ausgesuchten Juwelier zu berauben, ist die Welt noch in Ordnung. In der nächsten Szene fährt Mr. White den schwerverletzten Mr. Orange zum ausgemachten Treffpunkt. Der Coup ist schrecklich in die Hose gegangen, weil die Bande von einem Insider verraten wurde. Mr. Blonde hat in dem Kofferraum seines Wagens einen gefesselten Polizisten mit ins Versteck gebracht. Aus seinem Mund wollen sie den Namen des Verräters erfahren, doch der junge Mann weiß von nichts. Während die nicht von der Polizei getöteten Gauner in der alten Lagerhalle herauszufinden versuchen, wer von ihnen der Verräter ist, droht Mr. Orange, kläglich zu verbluten. 
Eine von Tarantinos besonders herausragenden Talenten wird schon in der Eröffnungssequenz offenbart: Die Restaurant-Szene sprüht vor Dialogwitz und dient gleichsam dazu, gleich alle Figuren einzuführen. Dass Tarantino nicht vorhatte, ein Heist Movie im klassischen Sinne zu inszenieren, wird schnell deutlich. Er verzichtet auf den für das Genre üblichen Hauptteil, nämlich den Überfall, und führt den Film mit der Flucht nach dem offensichtlich verpatzten Coup fort. Der Rest des Films spielt sich wie auf einer Theaterbühne fast ausschließlich in der kargen Lagerhalle ab, die die Gauner als Treffpunkt vereinbart haben. Dazwischen bringen verschiedene Rückblenden etwas Licht in die Vorbereitungen des Plans. Tarantino versteht es dabei geschickt, das ohnehin schon tragische Geschehen zuzuspitzen, indem einer der Crewmitglieder in der Halle mit dem Tode ringt und sich die anderen darüber unterhalten, wer als Verräter in Frage kommt und wie man ihn identifizieren kann, wobei der moralische Kodex unter Gaunern die Dynamik des weiteren Geschehens bestimmt. 
Neben den tollen Dialogen sind es vor allem die superben Darsteller, die "Reservoir Dogs" zu einem kultverdächtigen Gangsterfilm mit Italowestern-Elementen machen. 

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