Montana Sacra - Der heilige Berg

Bereits in seinen ersten beiden Werken „Fando y Lis“ (1968) und „El Topo“ (1970) hat der chilenische Ausnahmeregisseur Alejandro Jodorowsky das Thema der mythischen Selbstfindungsreise thematisiert. Mit seinem dritten Film „Montana Sacra – Der heilige Berg“ (1973) führt er diese Entwicklung so intensiv fort, dass von einer herkömmlichen Handlung kaum noch die Rede sein kann.
Ein namenloser Dieb (Horácio Salinas) wird von Männern, die als römische Legionäre verkleidet sind, betrunken gemacht, damit sie von seinem Körper einen Abguss anfertigen können, der zur Herstellung von lebensgroßen Figuren des gekreuzigten Christus dienen soll. Kaum erwacht der Dieb aus seinem Delirium, zerstört er wutentbrannt fast alle Figuren und zieht mit einer unversehrten Kopie durch die Stadt, um sie in einer verfallenen Kirche aufzustellen.
Zwar versagt ihm der Priester dieses Begehren, doch eine Prostituierte ist von diesem Unterfangen so beeindruckt, dass sie sich in den Dieb verliebt. Schließlich gelangt der Dieb zu einem geheimnisvollen Turm, der von einem Alchemisten (Alejandro Jodorowsky) bewohnt wird. Nachdem sich der Dieb von dessen Fähigkeiten überzeugt hat, aus Dreck Gold zu machen, will er sich auch verwandeln. Er lernt seine Gefährten und den Zweck ihrer Zusammenkunft kennen: Gemeinsam will sich die Gruppe auf die Suche nach dem Heiligen Berg machen, auf dessen Gipfel neun Weise thronen sollen, die das Geheimnis der Unsterblichkeit bewahren …
Jodorowskys Lieblingssujet seiner frühen Filme erfährt in „Montana Sacra“ eine interessante Weiterentwicklung. Zwar beginnt die Geschichte wie gewohnt mit einem „Suchenden“, der auf seiner Reise unerwartet die Bekanntschaft eines echten Alchemisten macht und sich dann mit einer ganzen Truppe von Gleichgesinnten auf den Weg zur Erleuchtung begibt. Doch schon der Charakter seiner Gefährten offenbart den Zynismus, mit dem Jodorowsky hier zu Werke geht.
Da wird auf der einen Seite die Sucht der Menschen nach Schönheit und Erotik bedient, Kunst als austauschbare Massenware und Kriegsspielzeug als Vorbereitung auf zukünftige Kriege produziert. Auf der anderen Seite wird der Staatshaushalt durch Massentötungen saniert und persönlicher Wohnraum auf einen Schlafplatz reduziert. Allerdings lässt Jodorowsky den Zuschauer im Ungewissen, ob er mit diesen Episoden, die die jeweiligen Protagonisten auf anderen Planeten beheimatet, unverhohlene Gesellschaftskritik äußert oder sich einfach über die mystischen Selbstfindungswege seiner Figuren nur lustig macht. Darauf scheint zumindest der überraschende Schluss hinzudeuten.
Auf jeden Fall bietet „Montana Sacra“, der zusammen mit „Fando y Lis“ und „El Topo“ in einer schmuckvollen Edition von Bildstörung veröffentlicht worden ist, wieder Unmengen an genialen visuellen Ideen, die letztlich auch über den Inhalt regieren. Surrealismus- und Mystizismus-Freunde werden sicher Gefallen an diesem verstörenden Werk finden, das Mainstream-Publikum dürfte eher verstört und gelangweilt reagieren.
"Montana Sacra - Der heilige Berg" in der IMDb

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