Prisoners

Nach drei sehenswerten Indie-Produktionen („Maelström“, „Polytechnique“, „Die Frau, die singt“) präsentiert der kanadische Filmemacher Denis Villeneuve mit „Prisoners“ sein starkes US-Debüt. In dem programmatisch betitelten Thriller-Drama geht es vordergründig um die Aufklärung von Kindesentführungen, doch die eigentlichen Themen des zweieinhalbstündigen Films sind Selbstjustiz und die verschiedenen Formen der Gefangenschaft.
In einer Kleinstadt in Pennsylvania endet das gemeinsame Thanksgiving-Fest der Familien Dover und Birch dramatisch, als die beiden Mädchen Anna Dover (Erin Gerasimovich) und Joy Birch (Kyla Drew Simmons) nach dem Spielen draußen spurlos verschwinden. Als der geistig zurückgebliebene Alex Jones (Paul Dano) in dem Wohnmobil gefunden wird, in dem die Mädchen am Nachmittag gespielt haben sollen, nimmt ihn der ehrgeizige Detective Loki (Jake Gyllenhaal) sofort in Gewahrsam, muss ihn aber wegen mangelnder Beweise wieder laufen lassen. Annas Vater Keller (Hugh Jackman)ist darüber so erzürnt, dass er Alex entführt und unter Folter dazu bewegen will, den Aufenthaltsort seiner Tochter bekanntzugeben. Dann stößt Loki auf eine weitere Spur und einen ebenfalls geistig eingeschränkten Verdächtigen …
Denis Villeneuve bietet mit „Prisoners“ ganz großes Erzählkino und einen Film, der auf mehreren Ebenen packend zu unterhalten versteht. Da steht in erster Linie die Frage im Raum, ob die entführten Mädchen noch leben und wer sie entführt hat. Doch die Suche nach dem Täter und den Mädchen wirft gleich mehrere moralisch gewichtige Fragen auf, vor allem die Art und Weise, wie die Beteiligten mit dieser Situation umgehen. Detective Loki will nicht nur den Fall lösen, sondern erhofft sich dadurch den sehnlichst erwünschten Karrieresprung mit einem Job in der Großstadt. Schon äußerlich passt der schwierig einzuschätzende Cop mit seinen Tattoos nicht in die Kleinstadt, und auch die Polizeivorschriften scheinen ihn allzu sehr einzuengen. Während die Mädchen ganz konkret Gefangene ihrer Entführer sind, besteht für Loki das Gefängnis in den ihn einschränkenden Vorschriften und gesellschaftlichen Konventionen, für den Kriegsveteran Keller wird sein stärker werdendes Rachegefühl zu seinem persönlichen Handicap.
Interessant ist darüber hinaus zu beobachten, wie die anderen Familienangehörigen mit der Entführung ihrer Kinder umgehen. Während sich Kellers Frau Grace (Maria Bello) mit Beruhigungsmitteln zudröhnt und ihre Depression im Bett auszukurieren versucht, nehmen Franklin (Terrence Howard) und Nancy Birch (Viola Davis) Abstand von den Selbstjustizavancen ihres Freundes. Villeneuve hat diese vielschichtig angelegten Figuren in einer packenden Geschichte vereint und durfte dabei auf das starke Drehbuch des jungen Aaron Guzikowski („Contraband“) bauen.
Die hochkarätige Darsteller-Crew dankt es ihm mit durchweg tollen Leistungen. Hugh Jackman („X-Men“, „Australia“) überzeugt als Vater, der für das Leben seiner Tochter wirklich alle Mittel in Betracht zieht, sein Mädchen wiederzufinden, ebenso wie Jake Gyllenhaal („Donnie Darko“, „Brokeback Mountain“) als schwer durchschaubarer Cop, der jeden Rückschlag in seiner Ermittlungsarbeit schwer verdaut. Schließlich glänzt „Prisoners“ auch in filmtechnischer Hinsicht. Kamera-As Roger Deakins („No Country For Old Men“, „James Bond 007 – Skyfall”) verleiht dem Film mit seinen Bildern einen düsteren Ton, der von dem minimalistischen Score von Jóhann Jóhannsson wunderbar verstärkt wird. Damit darf „Prisoners“ zweifellos als absolutes Highlight des vergangenen Filmjahres angesehen werden.
"Prisoners" in der IMDb

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