Copykill

In den 1990er Jahren war das Interesse an Serienmorden auch in Hollywood besonders groß. Schließlich brachte das Kino mit Jonathan Demmes „Das Schweigen der Lämmer“ (1991), David Finchers „Sieben“ (1995) und Jon Amiels „Copykill“ (1995) drei der besten cineastischen Beiträge zum Genre hervor. Amiels „Copykill“ sticht aus diesem Trio deshalb besonders heraus, weil es den Fokus auf zwei Frauen in dem definitiv von Männern dominierten Thema setzt und die beiden männlichen Täter nur braucht, um die Handlung voranzutreiben.
Die berühmte Psychiaterin Helen Hudson (Sigourney Weaver) zieht mit ihrem begehrten Vortrag über Serienkiller im ganzen Land von einer Hochschule zur nächsten. Ihre Angst, selbst Opfer eines Serienkillers zu werden, ist allerdings so groß, dass sie bei ihren Vorträgen Schritt auf Schritt von Sicherheitspersonal begleitet wird. Dennoch wird sie nach einem ihrer Vorträge ausgerechnet auf der Damentoilette fast Opfer des skrupellosen Killers Daryll Lee Cullum (Harry Connick Jr.). Nach dieser fast tödlichen Begegnung landet Cullum zwar im Gefängnis, Hudson setzt seit über dreizehn Monaten keinen Fuß mehr vor die Tür ihrer luxuriösen Wohnung in San Francisco, wo sie abgesehen von ihrem schwulen Assistenten Andy (John Rothman) nur online mit der Welt da draußen kommuniziert und kein Problem damit hat, sich schon tagsüber den einen oder anderen Drink zu genehmigen. Als ein Killer erneut Frauen im Visier hat, suchen die beiden Polizisten M. J. Monahan (Holly Hunter) und Reuben Goetz (Dermot Mulroney) den Rat von Dr. Hudson, die zwar Gefallen an dem attraktiven Goetz findet, aber nicht daran, aktiv an einer Ermittlung teilzunehmen.
Erst als der Killer direkt Kontakt mit ihr aufnimmt, ist Hudson zur Mithilfe bereit, der sich nicht nur als äußerst gewieft erweist, sondern sich als Vorbild für seine Taten die Morde seiner berühmten Vorgänger nimmt …
Schon in der Eröffnungssequenz bedient sich „Copykill“ eines geschickten Kniffs. Indem der Film mit einem Vortrag der Expertin Helen Hudson beginnt, bekommt der Zuschauer gleich eine unterhaltsame Zusammenfassung darüber, was man über Serienkiller wissen muss, dass es sich nämlich in der Regel um weiße, unauffällige, durchaus nette und gutaussehende Männer zwischen 20 und 35 handelt. Einen davon glaubt die Rednerin im Publikum zu entdecken, als dieser mit einer eindeutigen Geste zu erkennen gibt, was er mit Hudson zu tun gedenkt. Kurz gerät sie bei ihrem Vortrag ins Stocken, dann geht es weiter im Text.
Als dieser Typ ihr wenig später auf der Toilette auflauert und sie – nachdem er ihren Begleitschutz ausgeschaltet hat – in der Kabine aufzuhängen versucht, ist der erste Spannungshöhepunkt effektiv in Szene gesetzt worden. Cullums Geschichte wird dabei überhaupt nicht thematisiert. Stattdessen rückt nach einem Zeitsprung von dreizehn Monaten wieder Helen Hudson in den Fokus, wie sie ruhelos durch ihre Wohnung streift, sich mit Tabletten und Alkohol betäubt und ihre wenigen Kontakte in Online-Chatrooms unterhält.
Wie stark ihre Agoraphobie mit den dazugehörigen Panikattacken ausgeprägt ist, zeigt sich in einer Szene, als sie verzweifelt die Tageszeitung vor der Tür zu sich zu holen versucht. Auf der anderen Seite werden M. J. Monahan und Reuben Goetz als sympathisches Ermittler-Team eingeführt, wobei Monahan nicht nur souverän das Heft in der Hand hält, sondern auch die Situationen mit ihrem eifersüchtigen Kollegen Nicoletti (Will Patton) im Griff hat, mit dem sie einst eine Beziehung hatte. In der Folge rückt zwar die Aufklärung der aktuellen Mordserie an jungen Frauen zunehmend in den Mittelpunkt des Films, doch Regisseur Amiel („The Core“, „Sommersby“) bleibt dabei immer dicht bei den beiden charismatischen Frauen Hudson und Monahan. Hudson kann trotz ihres psychischen Handicaps noch immer wertvolle Hinweise zu den Ermittlungen beitragen, sehnt sich bei der erzwungenen Isolation aber auch ganz offen nach Sex, was die Beziehung zu Goetz interessant macht. Aber vor allem sorgt das Gefängnis, in dem sich Hudson befindet, für das größte Spannungsmoment, denn in ihrer Wohnung scheint sie dem Killer hilflos ausgeliefert.
So präsentiert sich „Copykill“ als ungewohnter, aber durchweg spannender Genre-Beitrag, der vor allem durch die beiden großartigen Hauptdarstellerinnen, die schnörkellose Inszenierung, die emotionalen Begleitmomente und - nicht zu unterschätzen – den grandiosen Score von Christopher Young (der auch Amiels späteren Filme „Agent Null Null Nix“„Verlockende Falle“, „The Core“ und „Creation“ vertonte) überzeugt.
"Copykill" in der IMDb

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