Wie ein wilder Stier

Die Zusammenarbeit zwischen Robert De Niro und Martin Scorsese hat bereits vor „Wie ein wilder Stier“ (1980) erfolgreiche Früchte getragen. Mit „Hexenkessel“ (1973), „Taxi Driver“ (1976) und „New York, New York“ (1977) haben die beiden aus Little Italy stammenden New Yorker Filmgrößen eindrucksvolle Werke produziert, zu denen sich mit der Boxer-Biografie „Wie ein wilder Stier“ schließlich einer der bis heute besten Filme überhaupt gesellte. Scorsese verfilmte damit die 1970 erschienene Autobiographie des Mittelgewichtschampions Jake La Motta und trieb seinen Star Robert De Niro einmal mehr zu einer schauspielerischen Meisterleistung an.
Der in der Lower East Side in New York aufgewachsene Boxer Jake La Motta (Robert De Niro) wird von seinem Bruder Joey (Joe Pesci) gemanagt und hat sich zum Ziel gesetzt, Weltmeister im Mittelgewicht zu werden. Doch die entscheidenden Kämpfe kann er nur bestreiten, wenn er sich bereiterklärt, für den örtlichen Mafiaboss Tommy Como (Nicholas Colasanto) zu kämpfen. Widerwillig geht Jake auf dieses Zweckbündnis ein und bekommt seinen gewünschten Kampf. Während seine Ehe unter keinem guten Stern steht, lernt Jake am Swimming Pool die gerade erst 15-jährige Vicky (Cathy Moriarty) kennen und heiratet sie unmittelbar nach seiner Scheidung.
Doch während Jake im Ring alles gibt und sich vor allem mit seinem langjährigen Kontrahenten Sugar Ray Robinson (Johnny Barnes) packende Duelle bietet und 1949 gegen Marcel Cerdan schließlich den ersehnten Titel holt, wird er privat von Eifersucht zerfressen. Weil er glaubt, dass Vicky mit seinem Bruder eine Affäre hat, prügelt er vor allem seinen Bruder vor den Augen dessen Familie fürchterlich zusammen und lässt auch Vicky nicht unverschont.
Nachdem sich sein Bruder von ihm losgesagt hat, lässt sich Jake immer mehr gehen und kann 1951 seinen Titel gegen Sugar Ray Robinson nicht mehr verteidigen. Jake zieht sich vom Boxen zurück und tritt als Entertainer in seinem eigenen, nach ihm benannten Club auf. Weil er dort aber minderjährige Mädchen an andere Männer verkuppelt, landet er im Gefängnis, Vicky lässt sich von ihm scheiden. Erst nach dem Abbüßen seiner Strafe gelingt die Versöhnung mit seinem Bruder.
In der Verfilmung von Jake La Mottas Autobiografie beschränkt sich Martin Scorsese auf die Jahre zwischen 1941 und 1964 und deckt damit den Auf- und Abstieg von La Mottas Boxer-Karriere ab. Allerdings ist „Wie ein wilder Stier“ kein klassischer Sport- und Boxer-Film, sondern vor allem das Psychogramm eines Mannes, der seiner Herkunft zu entfliehen versucht, sich dabei aber zunehmend selbst zerfleischt. Der hauptsächlich in Schwarz-Weiß gedrehte Film fängt nicht nur die brutalen, selbstzerfleischenden Kämpfe im Boxring ein, sondern auch das Milieu des Einwanderungsviertels Little Italy. Um die Boxszenen möglichst realistisch einzufangen, hat De Niro ein Jahr lang mit Jake La Motta intensiv trainiert. Statt wie üblich die Boxszenen mit mehreren Kameras zu filmen, stellte Scorsese nur eine Kamera in den Ring, positionierte sie quasi als dritten Boxer und musste so die Choreographie der beiden Boxer auf diese abstimmen, was die Aufnahmen sehr in die Länge zog und von den Akteuren sehr viel abverlangte. Der Drehplan wurde so gestaltet, dass erst die Kampfszenen innerhalb von fünf Wochen abgedreht wurden, anschließend innerhalb von zehn Wochen die Spielszenen und der Übergang zu den fetten Jahren, bevor De Niro zwei Monate Zeit hatte, sich das nötige Übergewicht in Europa anzufuttern.
Der Aufwand hat sich auf jeden Fall gelohnt. Mit „Raging Bull“ – so der Originaltitel – haben Scorsese und De Niro ein Meisterwerk kreiert, das einen Mann portraitiert, der sich nur mit Gewalt auszudrücken versteht – im Ring ebenso wie außerhalb. Besonders eindrucksvoll sind die Szenen, in denen La Motta einerseits wie eine Kampfmaschine auf seine Gegner einprügelt, sich andererseits aber ohne Gegenwehr selbst verprügeln lässt, als Buße gegen sich selbst, weil ihm auch hier die Mittel fehlen, sich anders auszudrücken. La Motta selbst war nach dem einjährigen Training mit De Niro übrigens davon überzeugt, dass es De Niro selbst zum Champion geschafft hätte, so konzentriert sei er bei der Sache gewesen. Dass der Film ein so grandioses Stück Filmgeschichte darstellt, liegt zwar größtenteils an dem Gespann Scorsese und De Niro (der verdientermaßen einen Oscar für seine Darstellung erhielt), aber auch die ebenfalls mit einem Oscar ausgezeichnete Cutterin Thelma Schoonmaker, Kameramann Michael Chapman („Taxi Driver“, „Auf der Flucht“) und De Niros Leinwand-Kollegen Joe Pesci („GoodFellas“, „Casino“) und Cathy Moriarty („Reine Nervensache 2“) tragen ihren Teil zum Meisterwerk bei.
"Wie ein wilder Stier" in der IMDb

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