Der Wolf hetzt die Meute

Clint Eastwood hat gerade erst in seinem vierten „Dirty Harry“-Abenteuer einmal mehr demonstrieren dürfen, was für ein harter Hund er ist, da gibt er ein Jahr später in „Der Wolf hetzt die Meute“ (1984) eine ganz andere Art von Cop, der nicht nur versucht, einen Serienmörder dingfest zu machen, sondern auch als alleinerziehender seinen beiden Töchtern ein guter Vater zu sein.
Bei der Mordkommission von New Orleans hat es Wes Block (Clint Eastwood) mit einem psychopathischen Frauenmörder zu tun, der es im French Quarter der Stadt vor allem auf Prostituierte abgesehen hat. Da der geschiedene und alleinerziehende Cop sich selbst in diesem Milieu herumtreibt, um seine sadomasochistischen Phantasien auszuleben, gerät er selbst als Verdächtiger in den Fokus. Zum Glück bietet ihm die selbstbewusste Kollegin Beryl Thibodeaux (Geneviève Bujold) vom Sittendezernat ihre Unterstützung bei den Ermittlungen an. Block ist nicht nur fasziniert davon, wie die taffe Frau ein Selbstverteidigungszentrum für Frauen leitet, sondern ihm durch ihre gute Beziehungen zum Bürgermeister den Rücken freihalten kann.
Zwar können Block, sein Kollege Molinari (Dan Hedaya) und die Leute von der Forensik bestimmte Fasern und Zahnabdrücke bei den Opfern festmachen, aber konkrete Hinweise auf den Täter bietet erst die Spur zu einer Brauerei, während der Killer seine Opfer immer dichter an Blocks persönlichen Umfeld herum aussucht. Offensichtlich hat der Killer noch eine offene Rechnung mit Block zu begleichen …
Gleich zu Beginn macht Drehbuchautor und Regisseur Richard Tuggle (der zuvor das Drehbuch zu Don Siegels „Flucht von Alcatraz“ mit Eastwood in der Hauptrolle geschrieben hatte) deutlich, dass es das Publikum in „Der Wolf hetzt die Meute“ mit einem anderen Clint Eastwood als in „Dirty Harry“ zu tun hat, spielt er doch mit seinen beiden Töchtern (Alison Eastwood, Jenny Beck) und den Hunden. Block hat alle Mühe, sich sowohl um seine beiden minderjährigen Töchter zu kümmern, als auch seinen Job gut zu machen. Für eine Beziehung bleibt ohnehin keine Zeit mehr, weshalb sich Block auf kurze Besuche bei Prostituierten beschränkt.
Während die Ermittlungen lange Zeit kaum Fortschritte machen, nimmt sich Tuggle viel Zeit, das Milieu zu beschreiben, in dem die Opfer ihr Zuhause hatten und in dem Block und auch Thibodeaux zu tun haben, aber auch die Beziehung, die sich zwischen Block und der emanzipierten Kollegin entwickelt. Ebenso wie zwei Jahre später in „Heartbreak Ridge“ gibt die Haupthandlung hier nur den Rahmen für die persönlichen Konflikte, die Eastwoods Figur mit den Frauen in seinem Leben herumträgt. Die ungewöhnliche Verletzlichkeit, die Eastwoods Figuren in beiden Filmen demonstriert, gehört zu ihren größten Überraschungen, aber auch zu ihren Stärken. Die Krimi-Handlung von „Der Wolf hetzt die Meute“ orientiert sich nämlich noch stark an den Krimis der 60er und 70er Jahre, bietet viel nackte Haut, aber kaum Spannung. Die zieht erst zum Finale an, wenn Block nicht nur sein Zuhause schützen muss, sondern auch den Täter fest im Blick hat.
Zwar führt Tuggle die Regie, doch weist sich „Der Wolf hetzt die Meute“ eindeutig als Eastwood-Produktion aus, sind doch seine vertrauten Weggefährten Bruce Surtees (Kamera), Lennie Niehaus (Musik) und Wayne Van Horn (Stunts) mit von der Partie.
In der umfangreichen Eastwood-Filmografie nimmt „Der Wolf hetzt die Meute“ keine überragende Stellung ein, ist aber durch den abrupten Imagewechsel, den Eastwood vom zynischen Drauf- und Einzelgänger zu einem mitfühlenden Familienmenschen vollzieht, noch immer bemerkenswert und gewinnt durch die starke Rolle, die Geneviève Bujold („Coma“, „Schwarzer Engel“) an der Seite von Eastwood verkörpert, eine Sonderstellung.
"Der Wolf hetzt die Meute" in der IMDb

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