Wakefield

Seit Bryan Cranston als Walter White in „Breaking Bad“ (2008-2013) seinen internationalen Durchbruch als Schauspieler feierte, ist er immer öfter auch als Hauptdarsteller in Filmproduktionen zu sehen, wobei seine charismatische Ausstrahlung dazu geeignet ist, einen Film ganz allein zu tragen. Das funktionierte in „Trumbo“ (2015) ebenso wie in „The Infiltrator“ (2016), so dass auch Regisseurin Robin Swicord („Der Jane Austen Club“) den vielversprechenden Versuch unternahm, Cranston in der filmischen Adaption von E.L. Doctorows Kurzgeschichte die Hauptlast tragen zu lassen. Dass dieses Unterfangen nur teilweise glückt, ist weniger Cranston anzukreiden als der zu unentschlossenen, unspektakulären Inszenierung.
Der erfolgreiche New Yorker Prozessanwalt Howard Wakefield (Bryan Cranston) pendelt täglich mit dem Zug zwischen seinem schicken Haus in dem Vorort und New York. Als auf der Heimfahrt flächendeckend der Strom ausfällt und Wakefield erst spätabends nach Hause kommt, nimmt er diese außergewöhnliche Situation als Wink des Schicksals und quartiert sich auf dem Dachboden der dem Haus gegenüberliegenden Garage ein. Dort harrt er allerdings nicht nur bis zum nächsten Morgen aus. Er findet Gefallen an der Idee, weder zu seiner Familie noch zur Arbeit zurückzukehren, sondern aus dem Dachfenster mit einem Fernglas seine Frau Diana (Jennifer Garner) und die beiden minderjährigen Töchter Taylor (Victoria Bruno) und Giselle (Ellery Sprayberry) zu beobachten. Allerdings bedeutet diese radikale Abkehr von seinem normalen Leben auch, dass er zunächst nur das Haus betreten kann, wenn die Kinder zur Schule und Diana zur Arbeit gefahren sind, aber um das Risiko zu vermeiden, unbedacht Spuren auf seine Anwesenheit zu hinterlassen, greift Wakefield zu radikaleren Methoden, durchsucht nachts Mülltonnen nach brauchbaren Essensresten und sieht bald aus wie ein Obdachloser. Zunächst bereitet ihm die Arglosigkeit seiner Frau noch ein immenses Vergnügen, doch als er beobachtet, dass sie sich mit seinem verhassten Kollegen Ben Jacobs (Ian Anthony Dale) zu verabreden beginnt, überdenkt Wakefield den vollständigen Rückzug aus seinem bisherigen Leben …
Robin Swicord hat sich bislang vor allem als Drehbuchautorin für Erfolgsfilme wie „Die Geisha“, „Betty und ihre Schwestern“ und „Der seltsame Fall des Benjamin Button“ hervorgetan, aber 2007 erstmals ihr Drehbuch zu „Der Jane Austen Club“ (2007) auch selbst verfilmt. Um der Kurzgeschichte von E.L. Doctorov („Ragtime“, „Billy Bathgate“) einen Spielfilm-füllenden Inhalt zu verleihen, hat sie sich ganz auf die Figur von Howard Wakefield konzentriert, wobei sie die Geschichte aus seiner Perspektive erzählt. Dabei behandelt sie den Weg zu Wakefields Entscheidung, sein bisheriges Leben hinter sich zu lassen, leider nur nebenbei, so dass es dem Zuschauer von Beginn an schwerfällt, Wakefields Verhalten nachzuvollziehen. Auch im weiteren Verlauf des Films wird die emotionale Distanz zwischen Wakefield und dem Publikum aufrechterhalten, denn der Aussteiger präsentiert sich von Beginn an als selbstsüchtiger Spanner, der sich nicht im geringsten um die Sorgen seiner Familie schert. Erst als andere Männer zur Gefahr für seine Stellung als Dianas Ehemann zu werden drohen, wagt er sich wieder aus seinem Beobachtungsposten.
Bryan Cranston verkörpert diesen wohlhabenden, selbstgefälligen Wakefield zwar sehr überzeugend, nur sind seine Handlungen nicht wirklich nachvollziehbar. Einzig die immer wieder mal eingeblendeten Rückblenden aus dem Eheleben, bei denen Jennifer Garner („Daredevil“) etwas nackte Haut zeigen darf, vermitteln ein Gespür dafür, dass Wakefield doch nicht so glücklich mit seinem Leben ist, wie das schicke Haus, der tolle Job und die hübsche Vorzeigefamilie vermuten lassen. So wie Wakefield diese Auszeit aus seinem wohlgeordneten Leben als Experiment betrachtet, wird dem Zuschauer zu wenig Identifikationspotenzial geboten, um selbst mehr als ein – wenn auch interessantes - filmisches Experiment in „Wakefield“ zu sehen.
Leider wird den Nebenfiguren überhaupt kein Raum geboten, sich irgendwie in die Geschichte einzufinden, und auch die Inszenierung vermag wenig zu fesseln. Allein der einfühlsame Score von Aaron Zigman („Pride“, „Wie ein einziger Tag“) mit dem wunderschönen Piano-Solos von Jean-Yves Thibaudet bleiben hier in Erinnerung. Fans von Jennifer Garner und Bryan Cranston dürfen gern einen Blick riskieren, aber davon abgesehen bietet der bereits 2016 produzierte Film, den New KSM nun auf DVD und Blu-ray veröffentlicht, wenig Packendes.
"Wakefield" in der IMDb

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