Ein wahres Verbrechen

Nachdem Clint Eastwood nach fast dreißig Jahren im Regiestuhl 1992 für „Erbarmungslos“ endlich die auch Oscar-prämierte Anerkennung für sein Wirken hinter der Kamera erhielt, zeugten auch seine nachfolgenden Regie-Werke „A Perfect World“ und „Die Brücken am Fluss“ von seiner Meisterschaft. Mit „True Crime – Ein wahres Verbrechen“ (1999) war er aber – wieder einmal - zu sehr darauf fokussiert, sich selbst als Hauptdarsteller in den Vordergrund zu spielen, statt ein flammendes Plädoyer gegen die Todesstrafe zu präsentieren.
Nachdem sich der notorische Schwerenöter Steve Everett (Clint Eastwood) von seiner glänzenden Karriere als Zeitungsreporter in New York verabschieden musste, weil er mal wieder mit der falschen Frau geschlafen hatte, macht er an der Westküste bei der „Oakland Tribune“ da weiter, wo er in New York aufgehört hat. In einer Bar nimmt der fast 70-jährige Verheiratete einen Drink mit seiner 23-jährigen Kollegin Michelle (Mary McCormack), doch mehr als ein Kuss springt für Everett an diesem Abend nicht heraus. Als Michelle bei schweren Regengüsse auf ihrer Heimfahrt in der berüchtigten Todeskurve mit einem LKW kollidiert und stirbt, setzt ihn sein Freund und Chef Alan Mann (James Woods) auf ihren aktuellen Auftrag an, ein Interview mit dem wegen Mordes zum Tode verurteilten Schwarzen Frank Beachum (Isaiah Washington). Von Michelle hatte er am Abend zuvor noch erfahren, dass irgendetwas an der Sache faul sein, und sehr zum Missfallen seines Lokalredakteurs Bob Findley (Denis Leary), mit dessen Frau Patricia (Laila Robins) sich Everett auch eingelassen hat, hängt sich Everett viel zu sehr in den Fall hinein, statt sich auf die menschlichen Aspekte der bevorstehenden Hinrichtung zu konzentrieren. Er sucht den Tatort auf, geht Michelles Aufzeichnungen durch, befragt den weißen Buchhalter Dale Porterhouse (Michael Jeter), dessen Aussage maßgeblich zu Beachums Verurteilung beigetragen hat, und vertraut seiner Nase, die ihm sagt, dass Beachum unschuldig ist, weil Porterhouse mehr gesehen zu haben glaubt, als er sehen konnte. Allerdings hat er nur noch zwölf Stunden Zeit, das auch zu beweisen …
Es ist kein Geheimnis, dass Clint Eastwood, der zwei Jahre lang als republikanischer Bürgermeister in seinem Heimatort Carmel-by-the-Sea regierte, für die Todesstrafe ist. Gerade deshalb ist die Verfilmung des Romans von Andrew Klavan durch Eastwood interessant, doch denkt der Regisseur, der sich einmal mehr auch als Hauptdarsteller inszeniert, gar nicht daran, sich dem Thema der Todesstrafe politisch anzunähern.
Stattdessen präsentiert er seinem Publikum einen konventionell gestrickten Thriller, in dem die Nebenhandlungen mehr – unnötigen - Raum einnehmen. Eastwood verkörpert den streitbaren Reporter vor allem als unersättlichen Frauenschwarm, der überhaupt kein Problem damit hat, auch dreißig Jahre jüngere Frauen zu verführen oder mit den Frauen seiner Chefs zu schlafen. Dass sich die 23-jährige Michelle nicht auf eine Affäre mit dem verheirateten Kollegen einlassen will, muss sie leider auch mit dem Tod bezahlen, und als sein Lokalredakteur Findley von Everetts Affäre mit einer Frau Wind bekommt, tut es dem alten Mann zwar wirklich sehr leid, aber zum Glück hat er ja die Rückendeckung von seinem Freund und Chef Alan, mit dem er fleißig Macho-Sprüche austauschen kann. Diese temperamentvollen Schlagabtäusche gehören zu den wenigen Höhepunkten des Thrillers, der seine Schwerpunkte ganz anders als erwartet setzt.
Zwar betont „Ein wahres Verbrechen“ die menschlichen Aspekte, die Everetts Chefredakteur einfordert, aber eben nicht die der Hinrichtung, sondern die in Everetts Leben. Als seine ebenfalls noch sehr junge Frau Barbara (Diane Venora) genug von den außerehelichen Eskapaden ihres Mannes hat und ihm den Ehering hinschmeißt, ist es ironischerweise der Moment, in dem Everett der Schlüssel zum Beweis von Beachums Unschuld bewusst wird.
Während Everett auf der einen Seite für die Sünden seiner fleischlichen Zügellosigkeit büßen muss, werden die letzten Stunden des zum Tode verurteilten Beachum sehr melodramatisch dargestellt. Die Wärter in San Quentin und Gefängnis-Direktor Warden Luther Plunkitt (Bernard Hill) werden als sehr verständnisvolle und mitfühlende Weggefährten präsentiert, während ausgerechnet der Gefängnis-Geistliche Reverend Shillerman (Michael McKean) sich als Arschloch erweist. Die letzten beiden Stunden, die Beachum mit seiner Frau Bonnie (LisaGay Hamilton) und seiner Tochter Gail (Penny Bae Bridges) verbringen darf, drücken sehr auf die Tränendrüse. Und zum Ende entwickelt sich „Ein wahres Verbrechen“ zu einem actionreichen Thriller, der an zu vielen Schaltstellen krankt, um überzeugen zu können.
"Ein wahres Verbrechen" in der IMDb

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