Natural Born Killers
Vor allem mit seiner Vietnam-Trilogie („Platoon“, „Geboren am 4. Juli“, „Zwischen Himmel und Hölle“) hat sich der US-amerikanische Filmemacher Oliver Stone markante Eindrücke im kulturellen Gedächtnis der Nachkriegs-Generation seit den 1950er Jahren hinterlassen, aber auch mit provozierend-kritischen Filmen wie „Wall Street“ und „JFK: Tatort Dallas“ hat sich Stone als einer der wichtigsten Filmemacher in Hollywood etabliert. Nach dem an den Kinokassen gefloppten Abschluss seiner Vietnam-Trilogie, dem aus der vietnamesischen Sicht erzählten „Zwischen Himmel und Hölle“ (1993), erregte er mit der schonungslos brutalen Medien-Satire „Natural Born Killers“ (1994) weltweit Aufmerksamkeit und lieferte einen bis heute wegweisenden Beitrag zur voyeuristischen Gewaltpornographie ab.
Inhalt:
Jahrelang hat Mallory (Juliette Lewis) unter dem Missbrauch ihres Vaters gelitten, den ihre Mutter einfach duldete. Als der Fleischergeselle Mickey (Woody Harrelson) eine Lieferung mit Rindfleisch abgeben will, sieht Mallory einen Ausweg aus ihrem tristen Dasein und unternimmt mit Mickey eine Spritztour mit dem Wagen des Vaters, die dem frischverliebten Paar die Polizei auf den Hals schickt. Später muss Mickey eine Haftstrafe wegen Autodiebstahls absitzen, doch während eines Arbeitseinsatzes in der Wüste nutzt er einen herannahenden Tornado zur Flucht und bringt gemeinsam mit Mallory ihre Eltern um. Doch das ist nur der Anfang einer wochenlangen Blutspur, die das frisch verheiratete Liebespaar durch die USA zieht. In den Medien werden Mickey und Mallory zu Helden stilisiert. Während der sadistische Polizist Jack Scagnetti (Tom Sizemore) alles daran setzt, die Mörder von über 50 Menschen endlich dingfest zu machen, rechnet der ehrgeizige TV-Reporter Wayner Gale (Robert Downey Jr.) schon mit enormen Einschaltquoten, sollte er die Möglichkeit zu einem Interview für seine Show über Serienmörder bekommen. Auf ihrer Flucht kommen Mallory und Mickey bei Indianern unter, doch im Drogenrausch tötet Mickey versehentlich ihren Gastgeber, anschließend wird das Killer-Pärchen in der Wüste von Klapperschlangen gebissen. Auf der Suche nach einem Gegengift versucht Mickey, eine Apotheke auszurauben, doch der Angestellte alarmiert die Cops, das Paar wird geschnappt. Als sie ihre Haftstrafe in der Anstalt von Dwight McClusky (Tommy Lee Jones) absitzen müssen, lässt dieser ein Interview seiner berühmten Insassen mit Gale zu. Bei der anschließenden Revolte während des Interviews erhalten Mickey und Mallory Unterstützung durch einen Mithäftling und können mit Gale fliehen, der bereits die Chance seines Lebens wittert…
Kritik:
Noch bevor Quentin Tarantino mit „Reservoir Dogs“ seinen Einstand als Regisseur feiern durfte, hatte er eigentlich geplant, einen anderen Film zu machen, nämlich sein Drehbuch zu „Natural Born Killers“ auch selbst zu verfilmen. Nachdem die Finanzierung jedoch zunächst gescheitert war, erwarb Oliver Stone die Rechte an dem Drehbuch, überarbeitete es aber gerade in den Dialogen so stark, dass Tarantino am Ende in den Credits nur als Story-Lieferant genannt wurde. Wie auch immer eine Verfilmung durch Tarantino selbst ausgesehen hätte, Oliver Stone hat aus dem Stoff, der stark an die Geschichte von „Bonnie & Clyde“, die Arthur Penn 1967 verfilmt hatte, erinnert und auch von Charles Starkweather (1938-1959) inspiriert wurde, der erst die Familie seiner erst 14-jährigen Freundin tötete und anschließend sieben weitere Menschen ermordete, ehe er gefasst und auf dem elektrischen Stuhl hingerichtet wurde, einen audiovisuellen Rausch geschmiedet.
„Natural Born Killers“ präsentiert sich von der Eröffnung an als ein pulsierender, wilder Mix aus verschiedenen Filmstilen und -arten, als bunte Collage aus Schwarzweiß-Sequenzen, psychedelischen Einstellungen, Comic-Action und Sitcom-Elementen, dass man sich als Zuschauer wie in einer Achterbahn fühlt, die im Sekundentakt durch die unterschiedlichsten Welten rast. Und das alles unterlegt von einem ebenso bunten, von Nine-Inch-Nails-Mastermind Trent Reznor zusammengestellten Soundtrack, der als kontinuierlicher Mix Barry Adamson, Lard, Dr. Dre, Leonard Cohen, Nine Inch Nails, Peter Gabriel, Bob Dylan, Patsy Cline, Diamanda Galas und Jane’s Addiction durcheinanderwirbelt. Im Mittelpunkt stehen das großartig von Woody Harrelson („True Detective“, „Larry Flynt – Die nackte Wahrheit“) und Juliette Lewis („Strange Days“, „From Dusk Till Dawn“) dargestellte Killer-Pärchen, das durch sein mörderisches Treiben schnell die Aufmerksamkeit der (medialen) Öffentlichkeit auf sich zieht. Sowohl Mickey als auch Mallory werden als Menschen portraitiert, die zunächst selbst als Opfer mit dem Bösen konfrontiert worden sind und nun selbst ihre fehlgeleiteten Triebe ausleben, indem sie wahllos Menschen töten, die ihnen irgendwie in die Quere kommen. Dabei werden sie von den omnipräsenten Medien ebenso beeinflusst wie verfolgt. Gewalt ist in den Medien allgegenwärtig, Teil des Showbusiness, Gewalt, Blut und Mord bringen Einschaltquoten, lassen die Zuschauer erleben, dass es sie selbst zum Glück nicht erwischt hat.
Stone streut immer wieder Ausschnitte aus dem Fernsehprogramm ein, von Wrestling-Kämpfen und Gales Fernsehshow, die sich mit der Geschichte von Serienmördern befasst. Doch auch wenn „Natural Born Killers“ den Einfluss der Medien auf unser Verhältnis zu und Verständnis von Gewalt stark prägt, geht der Film, wie der Titel bereits andeutet, von der Prämisse aus, dass der Drang zu töten, dass das Böse Teil des menschlichen Erbguts ist. Insofern bleibt Mickey und Mallory auch aufgrund ihrer eigenen Leidensgeschichte nicht viel anderes übrig, als den Weg zu gehen, den sie auf sich nehmen. Wenn man dabei noch berühmt werden kann, umso besser! Dass der Film so gut funktioniert, ist aber den anderen Darstellern zu verdanken, die in ihren Rollen die Sucht nach Anerkennung und Popularität schon mit einem Hang zur Übertreibung verkörpern. Die unterschiedlichen Kameras, die Robert Richardson eingesetzt hat, und die unterschiedlichen Filmmittel sorgen dabei für einen halluzinierenden, verstörenden und rauschhaften Mix, der niemanden unberührt lässt.
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