Nixon
Dass Oliver Stone vor allem als politischer Filmemacher angesehen wird, hängt nicht nur mit seiner populären Vietnam-Trilogie („Platoon“, „Geboren am 4. Juli“, „Zwischen Himmel und Hölle“) zusammen, sondern sicher auch mit seiner Art, wie er die US-amerikanischen Präsidenten John F. Kennedy, Richard Nixon und George W. Bush in seinen Filmen thematisierte. Während sich sein in diesem Zusammenhang populärster Film, „JFK: Tatort Dallas“, aber um die mutmaßliche Verschwörung zu Kennedys Ermordung drehte, inszenierte Stone 1995 mit „Nixon“ ein dreistündiges Portrait eines Präsidenten, dem nicht nur die Watergate-Affäre zum Verhängnis wurde, sondern dessen ohnehin nicht sehr wohlwollende Popularität unter dem verlorenen Vietnam-Krieg zu leiden hatte.
Inhalt:
Der CIA-Mitarbeiter E. Howard Hunt (Ed Harris) arbeitete offiziell für die Regierung Nixon im Büro von dessen Berater Charles Colson (Kevin Dunn), führte zusammen mit Gordon Liddy (John Diehl) aber die illegale Organisation der „Klempner“, die 1972 den Einbruch in das Hauptquartier der Demokratischen Partei verantwortete. Da die Einbrecher aber überrascht und verhaftet wurden, war der Grundstein für die Watergate-Affäre gelegt, die Präsident Richard Nixon (Anthony Hopkins) 1974 zum Rücktritt zwang. Es war das Ende der politischen Karriere eines Mannes, der in einer streng religiösen Quäker-Familie aufgewachsen ist, in der die Mutter (Mary Steenburgen) als Heilige tituliert wurde und der Vater (Tom Bower) so arm starb, wie er geboren wurde.
Besonders geprägt hat Nixon aber der frühzeitige Tod seiner Brüder durch Tuberkulose, was seinen Eltern aber ermöglichte, sein Jura-Studium zu finanzieren, auch wenn es nur für das quäkerische Whittier College reichte. Nach der Heirat mit Patricia (Joan Allen) im Jahr 1940, aus der zwei Töchter hervorgingen, nahm Nixons politische Laufbahn an Fahrt auf, als er 1946 für die Republikaner in den Kongress gewählt wurde und sich als Abgeordneter im Ausschuss für unamerikanische Umtriebe engagierte. Seine Kandidaturen um das Amt des Präsidenten 1960 und den Gouverneursposten von Kalifornien 1962 waren allerdings nicht von Erfolg gekrönt, und selbst als er 1969 die Wahl um das Präsidentenamt für sich entscheiden konnte, fühlte sich Nixon im Vergleich zu seinem großen Vorbild Abraham Lincoln und John F. Kennedy immer minderwertig. Der über die Maßen in die Länge gezogene Vietnam-Krieg und die damit verbundenen Proteste aus der gerade jüngeren Zivilbevölkerung legten einen besonders dunklen Schatten über seine Präsidentschaft, die 1974 durch seinen Rücktritt nach der Watergate-Affäre beendet wurde.
Kritik:
Oliver Stone hat es sich nicht leicht gemacht mit seinem Biopic über Richard Nixon (1913-1994), der nicht nur 37. Präsident der Vereinigten Staaten in die Geschichte einging, sondern auch als bisher einziger, der von seinem Amt zurückgetreten ist. Zwar legen Stone und sein eingespieltes Co-Drehbuchautoren-Team Stephen J. Rivele und Christopher Wilkinson („Ali“, „Bauernopfer – Spiel der Könige“) in „Nixon“ natürlich den Fokus auf Nixons Präsidentschaft, doch meist in Schwarzweiß gedrehte Erinnerungen an seine streng religiöse Kindheit kommen dabei ebenso wenig zu kurz wie die kurzzeitige Ehekrise. Wie schon zuvor in „JFK“ und „Natural Born Killers“ jongliert Kameramann Robert Richardson mit verschiedenen Farbgebungen, dazu sorgen schnelle Schnitte und ungewöhnliche Montagen für eine beunruhigende Dynamik, die die volle Aufmerksamkeit des Zuschauers fordert. Schließlich springt Stone auch zeitlich immer wieder zwischen den Erzählebenen hin und her, nimmt hier einen Faden auf, der später aus einer anderen Perspektive fortgesetzt wird. Stone legt nicht unbedingt Wert darauf, dass Nixons politische Stationen, sein Umgang mit dem Vietnam-Krieg und letztlich die Watergate-Affäre detailliert thematisiert werden. Stattdessen zeichnet Stone das Psychogramm eines zutiefst verunsicherten Mannes, den das Erbe seiner religiösen Erziehung zu erdrücken scheint; der mit Niederlagen schwer umzugehen wusste und der stets im Schatten seiner weit beliebteren Vorgänger Abraham Lincoln und John F. Kennedy stand. Obwohl ihm so viel daran lag, bei der amerikanischen Bevölkerung beliebt zu sein, gelang es ihm nicht, ihr Herz zu erobern. Anthony Hopkins („Das Schweigen der Lämmer“, „Was vom Tage übrig blieb“) verkörpert die ambivalente Persönlichkeit Nixons auf überzeugend nuancierte Weise, wenn Nixon beispielsweise bei der Beantwortung unvorhergesehen kritischer Fragen schlicht die Worte fehlen und ihm seine Ratlosigkeit direkt anzusehen ist. Aber auch Joan Allen („Wie ein einziger Tag“, „Die Bourne Verschwörung“) zeigt als Nixons emanzipierte, kämpferische Frau ordentlich Profil. Darüber hinaus sind auch die Nebenrollen des epischen Biopics mit Darstellern wie J.T. Walsh, Bob Hoskins, Ed Harris, David Paymer, Powers Boothe, John C. McGinley, Kevin Dunn, James Woods, Mary Steenburgen, Annabeth Gish, Saul Rubinek und Dan Hedaya toll besetzt. Wie sehr Nixon letztlich auch nur ein Rädchen im System war, wird in den Szenen mit Nixons Förderer „Jack Jones“ (Larry Hagman), mit seinem Außenminister Henry Kissinger und mit seinem Berater-Stab deutlich.
Es mag dahingestellt sein, wie nah Stone in „Nixon“ der Wahrheit gekommen ist, wie viel eigene Interpretation und vor allem Fiktion in den Film eingeflossen sind. Zweifellos ist dem Filmemacher ein vielschichtiges Biopic mit Shakespeare-mäßiger Dramatik gelungen.
"Nixon" in der IMDb
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