W. - Ein missverstandenes Leben

Seit seinen ersten bekannteren Werken wie „Salvador“ und „Platoon“ hat sich Oliver Stone immer wieder aus vor allem liberaler Perspektiver für Machtstrukturen interessiert, sei es auf der politischen („Geboren am 4. Juli“, „JFK“), wirtschaftlichen („Wall Street“) oder medialen („Talk Radio“) Ebene. Nachdem der gerade bei konservativen Vertretern aneckende Filmemacher mit „JFK – Tatort Dallas“ (1991) und „Nixon – Der Untergang eines Präsidenten“ (1995) bereits zweimal im Weißen Haus vorstellig gewesen ist, folgte 2008 mit „W. – Ein missverstandenes Leben“ die dritte Auseinandersetzung mit der Vita eines US-amerikanischen Präsidenten, doch fällt das Biopic über den letztlich ähnlich wie Nixon extrem unbeliebten George W. Bush weitaus zahmer aus als erwartet. 

Inhalt: 

Der aus einer wohlhabenden wie einflussreichen texanischen Familie stammende George W. Bush (Josh Brolin), dessen Spitzname Dubya auf der in den Südstaaten üblichen verkürzten Aussprache des Buchstabens W (eigentlich Double U) zurückzuführen ist, weiß nicht so recht etwas mit seinem Leben anzufangen. Zwar besucht er wie sein Vater (James Cromwell) Anfang der 1960er Jahre die Phillips Academy und die Yale University, wo er sich ebenfalls der Vereinigung Skull & Bones und des Studentenbundes Delta Kappa Epsilon anschloss, doch nach seinem Abschluss in Geschichte im Jahr 1968 frönt er vor allem einem hedonistischen Lebensstil, schmeißt einen Job nach dem anderen hin und steht ohnehin immer im Schatten seines Bruders Jeb (Jason Ritter) und bekommt ständig die Geringschätzung seines Vaters zu spüren. Der Beginn seiner politischen Karriere beginnt holperig. Als Bush Junior für einen Sitz im Kongress für den 19. Bundeswahlkreis von Texas kandidiert, muss er sich dem Demokraten Kent Hance geschlagen geben, worauf er seine politischen Ambitionen zunächst aufzugeben gedenkt und stattdessen Mitbesitzer einer Baseball-Mannschaft wird. Er lernt die junge Laura Welch (Elizabeth Banks) kennen, heiratet sie und unterstützt 1988 seinen mittlerweile zum US-Vizepräsidenten avancierten Vater erfolgreich im Wahlkampf um das Präsidentenamt. Bei der Wiederwahl im November 1992 unterliegt Bush Senior aber dem Demokraten Bill Clinton. Bush Junior bewirbt sich nicht nur um das Amt des Gouverneurs von Texas, sondern hat auch nach einer harten Entziehungskur mit dem Trinken aufgehört und ist seit 1986 ein „wiedergeborener Christ“. 
Als er 1994 Gouverneur wird, gewinnt Bush Junior erstmals den Respekt seines Vaters und schlägt er bei den Präsidentschafts-Wahlen im November 2000 den Demokraten Al Gore. Die Ereignisse des 11.September 2001 zwingen den frischgebackenen Präsidenten zum schnellen Handeln. Während Außenminister Colin Powell (Jeffrey Wright) zur Umsicht rät, legt Vizepräsident Dick Cheney (Richard Dreyfuss) Geheimdienstberichte über eine irakische Beteiligung an den Anschlägen vor, behauptet, im Irak gebe es Massenvernichtungswaffen, wofür der CIA keine Beweise vorliegen, und drängt zum Krieg gegen Saddam Hussein. Tatsächlich erhofft sich die USA Einfluss auf die Ölreserven im Irak… 

Kritik: 

Obwohl Oliver Stones Portrait von George W. Bush auf die Episode seiner Präsidentschaft fokussiert ist, die Bush Junior und der USA am meisten Schaden zugefügt haben, interessieren sich der Regisseur und sein Drehbuchautor Stanley Weiser („Wall Street“, „Freedom Song“) vor allem für sein Privatleben und insbesondere für die schwierige Beziehung zu seinem Vater. 
In Rückblenden wird kurz das richtungslose Treiben zwischen Studentenverbindung, Partys und verschiedenen Jobs thematisiert, das Redneck-charmante Kennenlernen mit seiner späteren Frau Laura und die offen ausgesprochene Enttäuschung seines Vaters, der seinem Sohn nach einer durchzechten Nacht sogar Kaution stellen muss. Dieser belastende, auf jeden Fall herausfordernde familiäre Hintergrund soll die Grundlage für George W. Bushs Unsicherheit bei politisch weitreichenden Entscheidungen bilden, und „W.“ lässt kaum Zweifel daran aufkommen, dass Bushs Vize Dick Cheney die treibende Kraft für den Krieg gegen den Irak gewesen sei. 
Bei der Inszenierung gestattet sich Stone nicht die visuellen Raffinessen, für die Robert Richardson bei „JFK“ und „Nixon“ gesorgt hat, sondern bleibt in sehr konventionellem Rahmen. Das trifft auch auf die überraschend zurückhaltende Charakterisierung von George W. Bush zu, der von Josh Brolin („No Country For Old Men“, „Sicario“) überzeugend verkörpert wird. Die Nebenrollen sind wie immer bei Oliver Stones Filmen prominent besetzt. Unter ihnen sticht vor allem Richard Dreyfuss als energischer Vize und treibende Kraft für die Mobilisierung der Truppen heraus, aber auch Jeffrey Wright, Scott Glenn, Bruce McGill und Thandiwe Newton wissen zu gefallen. Auch wenn „W.“ nicht in der Liga von „JFK“ und „Nixon“ spielt, ist Stone doch ein sehr intimes, unterhaltsames Portrait des unbeliebten Präsidenten George W. Bush gelungen.  

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