8 ½

Nach seinem Erfolgsfilm „Das süße Leben“ (1960) und dem kaum wahrgenommenen Kurzfilm „Die Versuchungen des Dr. Antonio“ (1962) befand sich Filmemacher Federico Fellini in einer Schaffenskrise. Als er mit den Vorbereitungen zu „8 ½“ (der Titel basiert auf der Anzahl seiner bisherigen Filme) begann, wussten weder Stab noch Besetzung, um was für ein Projekt es sich überhaupt handelte. Fellini entschloss sich kurzerhand, gerade dieses Problem zum Thema seines neuen Films zu machen. Und so besetzte Fellini sein Alter Ego Marcello Mastroianni („Das süße Leben“) in der Rolle des Regisseurs, der nicht weiß, welchen Film er drehen soll.
Nach einem Alptraum, bei dem er im Stau aus seinem Auto steigt und in den Himmel entschwebt, nur um dann wieder mit einem Seil auf den Boden der Tatsachen zurückgezogen zu werden, entschließt sich der populäre Regisseur Guido Anselmi (Marcello Mastroianni) zu einem Kuraufenthalt, wo ihn allerdings genau die Leute aufsuchen, denen er verzweifelt entkommen wollte, dem intellektuellen Drehbuchautor, dem Produzenten Pace (Guido Alberti), seiner Frau Luisa (Anouk Aimée) und seiner Geliebten Carla (Sandra Milo).
Während im Hintergrund die Aufbauten einer Abschussrampe für ein Raumschiff laufen, bekommt Guido einfach kein Gespür dafür, wie er seinen Science-Fiction-Film über eine vom Atomkrieg bedrohte Zukunft umsetzen soll, also flüchtet er sich immer wieder in Tagträume und Erinnerungen, die von ganz gewöhnlichen Vorfällen im den Kurbad ausgelöst werden, wobei die Vorstellung eines Harems und die Vision von einer idealen Frau (Claudia Cardinale) besonders hervorstechen. Weder bei der Vorführung der gesammelten Probeaufnahmen noch bei der Pressekonferenz an der allmählich Form annehmenden Abschussrampe weiß Guido, was er seinem Produzenten oder den Pressevertretern überhaupt sagen soll, und verschwindet einmal mehr in einem Tagtraum …
Fellini verarbeitete in „8 ½“ genau das Dilemma, das er selbst bei der Vorbereitung zu diesem Film empfand. Als er seinem Produzenten Angelo Rizzoli mit einem Brief mitteilen wollte, dass er den Film nicht drehen könne, wurde er auf die Geburtstagsfeier eines Technikers eingeladen und musste die ausgelassene Feier verlassen, als das gutgelaunte Team auf den Film und den Regisseur anstoßen wollte. Aber genau diese Episode brachte Fellini dazu, einen Film über einen Regisseur zu drehen, der nicht mehr weiß, was für einen Film er machen wollte. Und so wirkt „8 ½“ auch sehr unstrukturiert, ohne richtige Filmhandlung, sondern wie ein Konglomerat aus überdrehten Szenen hinter den Kulissen einer Filmproduktion und den Fluchtfantasien eines gestressten Regisseurs, der weder seinem Produzenten und dem Drehbuchautoren Rede und Antwort stehen kann, noch all die Frauen und Schauspielerinnen in seinem Leben zu bändigen vermag.
© StudioCanal
Geschickt gestaltet Fellini die nahtlosen Übergänge zwischen dem äußerlichen Druck, der auf Guido lastet, und seinen Träumen und Erinnerungen, in der das Zusammensein mit den Frauen von der Leichtigkeit geprägt ist, die seinem Leben und Wirken abhandengekommen ist. Fellini ließ sich dabei vor allem von Carl Gustav Jung und dessen Vorstellung von Träumen inspirieren und schuf ein ebenso verwirrendes wie betörendes Film-im-Film-Szenario, das von wundervollen DarstellerInnen belebt wird und trotz der Verzweiflung, die Fellinis Alter Ego zur Schau trägt, durch die vielen Zirkus-Artisten, Gedankenüberträger, Musiker und Clowns auch eine sehr heitere Stimmung verströmt. Am Ende wurde Fellinis ungewöhnlich autobiografisches Werk mit je einem Oscar für den Besten fremdsprachigen Film und für die Besten Kostüme ausgezeichnet. Er ist jetzt in digital restaurierter Fassung in der neuen „Federico Fellini“-Edition von Arthaus/StudioCanal erhältlich. 

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