Under the Silver Lake

Nachdem der amerikanische Drehbuchautor und Regisseur David Robert Mitchell 2014 mit „It Follows“ eine echte Perle des Horror-Genres abgeliefert hatte, war die Filmwelt natürlich extrem gespannt, was das neue Talent unter Hollywoods Independent-Filmemachern wohl als Nächstes präsentieren würde. Nach vier Jahren legt er mit dem Mystery-Drama „Under the Silver Lake“ ein sicher eigenwilliges, aber nicht durchweg überzeugendes Werk vor, das bei zwei Stunden und zwanzig Minuten Spiellänge ganz schon viel unterzubringen versucht.
Obwohl ihm in vier Tagen der Rausschmiss droht, wenn er bis dahin nicht seine Miete gezahlt hat, kümmert sich der 33-jährige Sam (Andrew Garfield) nicht darum, sich – eventuell auch durch einen Job – das nötige Geld zu besorgen. Stattdessen hält er vom Balkon seines Apartments in der Nachbarschaft Ausschau nach hübschen Frauen und vertreibt sich die Zeit mit Comics oder seiner namenlosen Sex-Gespielin (Riki Lindhome), die wie viele junge Mädchen hofft, den Durchbruch als Schauspielerin zu schaffen. Während er sie mechanisch penetriert, reden sie über das Kurt-Cobain-Poster, das sich Sam nach dem Tod des Rockstars signieren ließ, und verfolgen im Fernsehen die Nachrichten, in denen von der Suche nach einem verschwundenen Milliardär berichtet wird. Viel spannender findet Sam die junge Nachbarin Sarah (Riley Keough), die sich in ihrem weißen Badeanzug und Hut mit ihrem Hund am Swimming Pool niederlässt und Sam nach einem ersten Gespräch sogar zu sich nach Hause auf einen Drink einlädt. Während sie sich bei einem Joint zu „Wie angelt man sich einen Millionär?“ im Fernsehen langsam näherkommen, kommt es sogar zu einem Kuss, bis Sarahs Mitbewohner auftauchen und das weitere Kennenlernen auf den nächsten Tag verschieben lassen. Doch Sam findet die Wohnung am nächsten Tag leergeräumt vor, von Sarah keine Spur. Auf der Suche nach Hinweisen auf ihren Verbleib lernt er den Comic-Autor (Patrick Fischler) von „Under the Silver Lake“ kennen, der ihn die Welt der Symbole und Verschwörungstheorien einführt. Bei seiner Suche nach Sarah stößt er auf Schatzkarten in Cornflakes-Verpackungen, die angesagte Band Jesus & the Brides of Dracula sowie etliche Sternchen aus dem Showgeschäft, die auf wilden Promi-Partys die richtigen Kontakte zu knüpfen hoffen.
Schon in den ersten Minuten wird dem Zuschauer klar, dass David Robert Mitchell mit „Under the Silver Lake“ keine konventionelle Geschichte erzählen will, sondern genussvoll und augenzwinkernd die Popkultur zitiert. Während die Spanner-Szene an Hitchcocks „Fenster zum Hof“ erinnert und die in weißem Dress gekleidete Sarah auf Hitchcocks Darstellung seiner Lieblingsschauspielerinnen wie Grace Kelly, Kim Novak und Tippi Hedren verweist (später taucht auch noch der Grabstein von Hitchcock im Bild auf), sorgen die barbusige Vogelfrau und das vom Himmel fallende, am Boden aufgeplatzte Eichhörnchen mit erstarrendem Blick in Sams und des Zuschauers Augen für den eigenwilligen Humor, der „Under the Silver Lake“ ebenso durchzieht wie Sams detektivische Suche nach Sarah und seine Auseinandersetzung mit den verschiedensten Verschwörungstheorien.
Zumindest der männliche Zuschauer wird Sam von Beginn an sympathisch finden. Wie unbekümmert er in den Tag hineinlebt, Frauen als reine Sexobjekte betrachtet und Jungs, die fremde Autos anpinkeln, gnadenlos zusammenschlägt und -tritt, sind Verhaltensmuster, die der rechtschaffene, moralisch aufrichtige Mann von heute sich nicht erlauben darf, auch wenn der Wunsch danach manchmal sehr stark ausgeprägt sein mag. Die hübschen jungen Frauen werden dagegen als recht einfach gestrickte Models präsentiert, die auf dem Weg zum erhofften Ruhm in die entsprechenden Betten springen. Dabei scheinen nur die extrem Reichen (natürlich durchweg Männer) einem speziellen Code oder Verständnis zu folgen, das den Normalsterblichen vorenthalten bleibt.
„Under the Silver Lake“ gefällt sich sichtlich darin, die Ikonen der Popkultur zu persiflieren und eine Vielzahl von Verschwörungstheorien zu zitieren, so dass der Film oft wie eine groteske Symbiose aus Robert Anton Wilsons und Robert Sheas „Illuminatus!“-Trilogie und David Lynchs „Mulholland Drive“ wirkt, ohne deren atmosphärische Tiefe und damit auch den Grad der Verstörung zu erreichen, die durch die Geschichte beim Betrachter hervorgerufen wird. Vor allem verliert sich der Reiz der aneinandergereihten Verweise über die viel zu lange Spielzeit. Dennoch bietet Mitchells neues Werk eine Vielzahl von witzigen Momenten und interessanten Einfällen, die in einer reduzierteren und kompakteren Darstellung allerdings wirkungsvoller gewesen wären.
"Under the Silver Lake" in der IMDb

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