Werk ohne Autor

Mit seinem Langfilm-Regiedebüt „Das Leben der Anderen“ sorgte der Filmemacher Florian Henckel von Donnersmarck bei der Oscar-Verleihung im Jahre 2007 für eine kleine Sensation, als das Drama den Oscar für den besten fremdsprachigen Film erhielt. Nachdem sein Hollywood-Debüt „The Tourist“ drei Jahre danach trotz des Star-Duos Johnny Depp und Angelina Jolie nicht so gut funktioniert hatte, besinnt sich von Donnersmarck nach acht Jahren Pause in seinem neuen Drama „Werk ohne Autor“ wieder auf eine deutsche Geschichte, die er über drei Jahrzehnte in ebenso vielen Stunden zu einer packenden Filmerlebnis formt. Am 04. April erscheint der zweifach Oscar-nominierte Film über Walt Disney auf DVD und Blu-ray.
Durch seine nicht nur attraktive, sondern auch in jeder anderen Hinsicht außergewöhnlichen Tante Elisabeth May (Saskia Rosendahl) wird der sechsjährige Kurt Barnert (Cai Cohrs) in seiner Heimatstadt Dresden 1937 durch die Museen geführt und so mit der Malerei vertraut gemacht, der er bald sein Leben widmen wird. Da sie mit ihrem manchmal etwas unorthodoxen Verhalten aus der konformistischen Nazi-Gesellschaft heraussticht, wird sie in die psychiatrische Klinik von Professor Carl Seeband (Sebastian Koch) eingewiesen, von ihm als Schizophrene kategorisiert und in die Gaskammer geschickt. Nicht nur der Anblick, wie seine verzweifelt schreiende Tante in den Krankenwagen gesteckt wird, hinterlässt tiefe Spuren bei dem jungen Erwachsenen, der Kurt (nun: Tom Schilling) geworden ist, auch die Tatsache, dass sein als Lehrer arbeitender Vater Johann (Jörg Schüttauf) partout nicht mit den Nazis sympathisieren wollte und dadurch seinem Beruf nicht mehr nachgehen konnte, führt dazu, dass Kurt sich nach dem Krieg in den sozialistischen Kunstbetrieb einfügt, nachdem er von seinem Vorarbeiter (Ben Becker) für die Kunstakademie vorgeschlagen worden, ist und als Wandmaler Karriere macht. Als er sich auch noch in die hübsche Modestudentin Ellie Seeband (Paula Beer) verliebt, scheint das Glück nahezu perfekt. Doch da Ellies Vater Carl Seeband, der sich mittlerweile als Gynäkologe einen Namen gemacht hat, nicht so recht mit dem musischen Verehrer seiner Tochter warm werden will und Karl danach strebt, seine künstlerischen Ideen ohne ideologische Vorgaben auszuleben, flieht er mit Ellie eines Tages nach Deutschland, wo er an der Kunsthochschule in Düsseldorf seine wahre Bestimmung zu finden versucht …
Florian Henckel von Donnersmarck hat bereits in seinem gefeierten Debüt „Das Leben der Anderen“ die Biografie eines echten Künstlers (des Liedermachers Wolf Biermann) als Vorlage genommen, um daraus ein Werk zu formen, das ohne den Kompass einer verbürgten Biografie eine ganz eigene Geschichte erzählt. Ähnlich verfährt von Donnersmarck auch mit „Werk ohne Autor“, das sich an die Lebensgeschichte des Malers, Bildhauers und Fotografen Gerhard Richter anlehnt, wobei unschwer zu erkennen ist, dass sich hinter Kurts Lehrmeister in Düsseldorf niemand Geringeres als Joseph Beuys verbirgt.
Das über dreistündige Drama „Werk ohne Autor“ – dessen Titel erst durch einen Fernseh-Journalisten kurz vor Schluss ins Spiel gebracht wird – erzählt auf feinsinnige und mit leisem Humor durchsetzte Art den Werdegang eines Künstlers, wie er durch die Verbindung von frühkindlicher Prägung und dem Erleben eines schweren Traumas seinen eigenen künstlerischen Ausdruck findet. Auch wenn es in dem Film vor allem um das Definieren künstlerischer Identität und das Spannungsfeld von (kreativem) Individuum und Gesellschaft geht, vermeidet von Donnersmarck eine allzu intellektualisierte Inszenierung, sondern gestaltet Kurts Geschichte mit sehr persönlichen Zügen, wie sie im letzten Akt des Dramas auch Ausdruck in Kurts Bildern finden. Dazu sorgt natürlich die – auch sehr sinnlich inszenierte – Liebesgeschichte zwischen Kurt und Ellie mit ihren dramatischen Entwicklungen und dem dunklen Schatten, der durch den dominanten Carl Seeband über der Beziehung schwebt, für die sehr gefühlvollen Momente.
Zu den fesselndsten Szenen des Films zählt nicht nur die Einweisung und Tötung von Kurts geliebter Tante, sondern auch die intime Schilderung von Professor Antonius van Verten (Oliver Masucci), wie er durch sein ganz persönliches Kriegstrauma ein Faible für Fett und Filz entwickelt hat. Neben der stimmungsvollen Inszenierung, zu der vor allem Kameramann Caleb Deschanel („Der Stoff, aus dem die Helden sind“, „Der Patriot“) und Komponist Max Richter („The Leftovers“, „Vom Ende einer Geschichte“) ihren Beitrag geleistet haben, sind natürlich die Leistungen der gut ausgesuchten Darsteller hervorzuheben, wobei Tom Schilling („Napola“, „Oh Boy“) die traumatisierte Künstlerfigur allerdings nicht ganz so tiefgründig ausfüllt, wie Paula Beer („Poll“, „Frantz“), Oliver Masucci („Er ist wieder da“) und Sebastian Koch („Stirb langsam – Ein guter Tag zum Sterben“, „Bridge Spies – Der Unterhändler“) in ihren charismatischen (Neben-)Rollen überzeugen. Zwar wurde der Film immerhin erneut für zwei Oscars (bester fremdsprachiger Film, beste Kamera) nominiert, ging aber jeweils leer aus.
„Werk ohne Autor“ vereint in seiner epischen Länge von drei Stunden gekonnt ein einfühlsames Künstler-Portrait, eine mitreißende Liebesgeschichte und eine drei Jahrzehnte umfassende Zeitgeschichte im geteilten Deutschland.
"Werk ohne Autor" in der IMDb

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