Vom Ende einer Geschichte

Im Jahre 2011 wurde der britische Schriftsteller Julian Barnes für seinen Roman „Vom Ende einer Geschichte“ mit dem renommierten britischen Literaturpreis Man Booker Prize ausgezeichnet. Sechs Jahre später hat sich der indische Regisseur Ritesh Batra („Lunchbox“, „Unsere Seelen bei Nacht“) der psychologisch tiefsinnigen Geschichte eines alternden Mannes angenommen, der durch ein Testament erneut mit den komplexen Ereignissen seiner Universitätszeit konfrontiert wird.
Seit Tony Webster (Jim Broadbent) von seiner Frau Margaret (Harriet Walter) geschieden und im Ruhestand ist, vertreibt er sich seine Zeit in seinem kleinen Laden für gebrauchte Leica-Kameras, eine Leidenschaft, die er seiner ersten großen Liebe Veronica zu verdanken hat, die ihm einst ihre Leica geschenkt hatte. Die einzige Aufregung in seinem unspektakulären Leben verschafft ihm nur seine alleinlebende Tochter Susie (Michelle Dockery), die er gelegentlich zu ihrem Geburtsvorbereitungskurs begleitet, wenn Margaret verhindert ist. Doch dann erhält er durch eine Anwaltskanzlei einen Brief, der sein Leben auf den Kopf stellt, denn das ihm vermachte Tagebuch seines einst besten Freundes Finn Adrian, das sich nun im Besitz von Veronica (Charlotte Rampling) befindet, lässt ihn seine eigene Biografie hinterfragen. Als er sich nach Jahren wieder mit Veronica trifft, erinnert er sich, wie er sich als junger Mann (Billy Howle) an der Universität mit Finn (Joe Alwyn) anfreundete, sich in Veronica Ford (Freya Mavor) verliebte und zu ihrer Familie eingeladen wurde, wo Tony aber auch von Veronicas Mutter Sarah (Emily Mortimer) fasziniert war. Während die Beziehung zwischen Tony und Veronica ohne sexuelle Höhepunkte dahinplätscherte, spannte Finn schließlich seinem besten Freund die Freundin aus, worauf Tony eine Kette von Ereignissen auslöste, mit deren schrecklichen Konsequenzen er durch das Wiedersehen mit Veronica konfrontiert wird …
Ritesh Batra konzentriert sich bei seiner Adaption von Julian Barnes‘ Bestseller weniger auf die im Roman geschilderten Erinnerungen, Gefühle und Gedanken, die Tony Webster mit dem Eintreffen des Anwaltsschreibens und der Ankündigung des Erbes umtreiben, sondern versucht diese in eine verschachtelte Handlungsstruktur zu übertragen, in der sich seine Erinnerungen an vergangene Ereignisse und gegenwärtige Geschehnisse immer wieder abwechseln, bis deutlich wird, dass Tonys eigene Sicht der Dinge in vielerlei Aspekten nicht mit den wahren Begebenheiten in Einklang zu bringen ist. Das sorgt immer wieder für interessante Wendungen, doch werden diese auch recht holprig inszeniert. Überzeugend wirkt „Vom Ende einer Geschichte“ immer dann, wenn sich die großartigen Darsteller, allen voran Jim Broadbent („Die eiserne Lady“, „Ein letzter Job“), in den Rollen ihrer interessanten Figuren aufeinander einlassen und die großen menschlichen Themen wie Liebe, Verrat, Verlust, Trauer und Reue miteinander aushandeln. Die gediegene Kameraarbeit von Christopher Ross („Raum“, „Unterwegs nach Cold Mountain“) und der nur akzentuiert eingesetzte Score von Max Richter („Werk ohne Autor“, „Taboo“) sorgen neben den starken Darstellerleistungen für die sehenswerten Momente in einem Drama, das sich gerade in den Erinnerungssequenzen etwas mehr Zeit für die nur angerissenen Stimmungen hätte nehmen können, um dem Drama die nötige Tiefe zu verleihen.
"Vom Ende einer Geschichte" in der IMDb

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