Krieg der Welten

Anfang der 2000er Jahre hat Steven Spielberg mit „A.I.: Künstliche Intelligenz“ (2001) und „Minority Report“ (2002) zwei erstaunlich tiefgründige und qualitativ berauschende Sci-Fi-Thriller-Dramen inszeniert. Mit der 2005 folgenden Adaption von H.G. Wells‘ Kultroman „Krieg der Welten“ hat er sich allerdings etwas verhoben.
Ray Ferrier (Tom Cruise) hat alle Mühe, mit seinen Schichten als Kranführer im Containerhafen von New Jersey sein Leben zu meistern und als Vater für seine beiden, bei seiner Ex-Frau Mary Ann (Mirando Otto) und ihrem neuen Mann Tim lebenden Kinder Robbie (Justin Chatwin) und Rachel (Dakota Fanning) zu funktionieren. So kommt er wieder einmal zu spät von seiner Schicht, um Robbie und Rachel in Empfang zu nehmen, was ihm von seiner hochschwangeren Ex eine entsprechende Rüge einbringt. Statt sich um seine Kinder zu kümmern, legt er sich aber erst einmal aufs Ohr und lässt sie selbst etwas zum Essen bestellen. Geweckt wird er schließlich von einigen merkwürdigen Blitzen am dunkel bewölkten Himmel, auf die allerdings kein Donner folgt. Während sich Ray mit seinen Nachbarn das Naturschauspiel von der Straße aus betrachtet, schlagen die Blitze in immer kürzeren Intervallen und vor allem dichter ein, bringen sämtlichen Verkehr und die Stromversorgung zum Erliegen.
Aus der durch einen Blitz zerstörten Asphaltdecke an einer Straßenkreuzung gelangen auf einmal monströse metallische Dreibeiner an die Oberfläche und machen Jagd auf die Menschen, die zu Staub zerfallen, sobald sie von den Feuerstrahlen der offensichtlich außerirdischen Wesen getroffen sind. Ray rennt um sein Leben nach Hause, lässt die Kinder ein paar Lebensmittel einpacken und klaut einen wieder reparierten Wagen, damit er Robbie und Rachel zu ihrer Mutter bringen kann. Als er sie dort nicht antrifft, will er zu einer Fähre gelangen, um nach Boston zu kommen, wo die Eltern seiner Ex-Frau leben.
Doch die Invasion der Außerirdischen weitet sich weltweit in erschreckenden Maßen aus. In dem Haus von Ogilvy (Tim Robbins), der seine ganze Familie verloren hat, finden Ray und seine Kinder zunächst Schutz im Keller, doch der Aufenthalt wird zu Geduldsprobe: Während Ogilvy zunehmend hysterisch wird und so die Sicherheit aller aufs Spiel setzt, drängt es Robbie, das ausgerückte Militär im Kampf gegen die Aliens zu unterstützen …
Berühmt wurde H.G. Wells‘ 1898 veröffentlichter Roman „Krieg der Welten“ vor allem durch das von Orson Welles und dem Mercury Theatre inszenierten Hörspiel, das der amerikanische Radiosender CBS kurz vor Halloween am 30. Oktober 1938 ausstrahlte. Er verlegte das Geschehen von England nach Grover’s Mill in New Jersey und erzielte einen realistisch wirkenden Reportage-Effekt, indem er das Hörspiel mit Musik unterlegte und so den Eindruck eines normalen Radioprogramms erweckte, das durch neue Meldungen über die Invasion der Außerirdischen immer wieder unterbrochen wurde.
Spielbergs neue Kinoadaption (nach Byron Haskins Verfilmung „Kampf der Welten“ aus dem Jahre 1953 und der zwischen 1988 und 1990 ausgestrahlten Fernsehserie „Krieg der Welten“, die die Ereignisse aus dem Roman fortsetzte) kann sich dagegen nur rühmen, die Invasion der Außerirdischen in spektakulären Bilder festgehalten zu haben. Die Geschichte dazu wirkt leider sehr unausgegoren, oberflächlich und schnell zusammengeschustert.
Als Protagonisten haben Spielberg und seine beiden Drehbuchautoren David Koepp („Mission: Impossible“, „Jurassic Park“, „Panic Room“) und Josh Friedman („Terminator: Dark Fate“, „Die schwarze Dahlie“) die Familie Ferrier auserkoren, doch machen sie sich nicht die Mühe, sie ordentlich einzuführen. Ray wird als egoistisches Arschloch vorgestellt, der offensichtlich seine Ehe in den Sand gesetzt hat und seinen Kindern kein fürsorglicher Vater ist. Natürlich führen die einschneidenden Ereignisse und der Kampf ums Überleben dazu, dass Ray alles dafür tut, seine Kinder zu beschützen. Bei dem fast erwachsenen Robbie scheint allerdings alle Mühe nicht zu fruchten. Wie Robbie das Wohl seiner Familie vernachlässigt und wie gebannt den Kampfhandlungen folgt, wirkt dabei nicht überzeugend. Dafür bringt die junge Dakota Fanning („Ocean’s Eight“, „Once Upon a Time in Hollywood“) eindrucksvoll die pure Angst um ihr Leben und das Entsetzen über die Invasoren zum Ausdruck, während Tom Cruise allein schon mit seinem Namen und dem zunehmend stärkeren Überlebenswillen seiner Figur die Aufmerksamkeit auf sich zieht, wobei Rays Charakter aber ohne große Tiefen angelegt ist.
So bleiben vor allem die von Industrial Light & Magic kreierten Special Effects in Erinnerung. Wie die Invasoren zu Beginn aus dem Boden stoßen und dabei ganze Straßenzüge zum Einsturz bringen und dann das pausenlose Feuer auf die flüchtenden Menschenmassen eröffnen, ist ebenso spektakulär in Szene gesetzt wie das Umkippen einer Fähre oder die Entdeckung eines abgestürzten Flugzeugs mitten in der Stadt.
Zum Ende hin baut „Krieg der Welten“ allerdings rapide ab. Wie die Menschen – mit Unterstützung der Natur – natürlich doch die Kurve bekommen und sich wirksam gegen die hochintelligenten Invasoren zur Wehr setzen können, wird in ungewöhnlich straff zusammengefasst und lässt die zuvor so mühsam aufgebaute Stimmung des Weltuntergangs mit der Auslöschung der Menschheit im Nu zerfallen. Hier wird wieder deutlich, dass das Kind in Steven Spielberg einfach nicht anders kann, als an das Gute zu glauben.
"Krieg der Welten" in der IMDb

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