A.I.: Künstliche Intelligenz

Steven Spielberg hat bereits mit seinen märchenhaften Frühwerken „Unheimliche Begegnung der dritten Art“ (1977) und „E.T. – Der Außerirdische“ (1982) sein Faible für filmgewordene Zukunftsvisionen zum Ausdruck gebracht, doch als versierter Meister des Sci-Fi-Genres avancierte er erst zu Beginn der 2000er Jahre, als auch die technischen Möglichkeiten so weit ausgereift waren, Filme wie „Minority Report“ (2002) und „A.I.: Künstliche Intelligenz“ (2001) zu realisieren. Der letztgenannte Film geht auf die 1969 von Brian W. Aldiss veröffentlichte Kurzgeschichte „Supertoys Last All Summer Long“ zurück und sollte eigentlich von Stanley Kubrick verfilmt werden, der das Projekt aber wegen der schwierigen technischen Umsetzbarkeit so lange auf Halde legte, bis er 1999 verstarb und Steven Spielberg ein 80-seitiges Treatment vererbte, aus dem dieser sein erstes Drehbuch seit „Unheimliche Begegnung der dritten Art“ formte und bravourös inszenierte.
Mitte des 22. Jahrhunderts sind aufgrund von Industrialisierung, Umweltverschmutzung und Klimawandel die Polkappen geschmolzen und wichtige Hafenstädte wie Amsterdam, Venedig und New York im Meer versunken. Nachdem infolge der Hungersnöte hunderte von Millionen Menschen gestorben sind, wird der Nachwuchs streng reglementiert, und mit Bewusstsein und Intelligenz ausgestattete, lebensecht aussehende Roboter (Mechas) sind zu einem festen Bestandteil des Arbeits- und gesellschaftlichen Lebens geworden. Nicht nur wurden Sex-Roboter erfolgreich eingeführt, die Firma Cybertronics hat unter Leitung von Dr. Hobby (William Hurt) auch den Prototypen eines Mecha-Kindes entwickelt, das zu echter Liebe fähig sein soll. Unter den Firmenangehörigen wird Henry Swinton (Sam Robards) als idealer Kandidat zum Testen ausgewählt. Er und seine Frau Monica (Frances O’Connor) bekommen durch David (Haley Joel Osment) die Möglichkeit, das Trauma um ihren ins Koma gefallenen Sohn Martin (Jake Thomas) zu überwinden. Allerdings ist die Verbindung zwischen dem Mecha-Kind und der Mutter nicht mehr rückgängig zu machen, sobald das Kind durch einen Code aus sieben Worten programmiert worden ist. Die Kennlernphase verläuft überraschend gut. David bereitet seiner Mutter den perfekten Kaffee und hat Humor. Doch dann erwacht Martin überraschend aus dem Koma und kehrt zu seinen Eltern zurück. Zwischen den beiden Jungen entwickelt sich ein Konkurrenzkampf um die Gunst der Mutter, die sich nach einigen verstörenden Zwischenfällen gezwungen sieht, David zu Cybertronics zurückzubringen, wo er zerstört würde. Diese Schwelle überschreitet Monica letztlich zwar nicht, doch setzt sie ihn mit dem sprechenden Supertoy Teddy im Wald aus, wo er Zeuge wird, wie ein riesiger Berg an Mecha-Schrott abgeladen wird, aus dem sich alte und defekte Mechas die passenden Ersatzteile aussuchen. Allerdings machen auch Menschen Jagd auf die ausgesonderten Mechas und zerstören diese effektvoll bei publikumswirksamen „Fleisch-Festen“. Als auch David und der unter Mordverdacht stehende Sex-Roboter Gigolo Joe (Jude Law) in Gewahrsam genommen werden, können sie fliehen. David ist nur noch von dem Gedanken besessen, wie in der Geschichte „Pinocchio“ ein echter Junge zu werden, um die Liebe seiner Mutter zurückzugewinnen …
Michael Crichton ist mit „Westworld“ bereits 1973 ein überzeugender Sci-Fi-Thriller gelungen, in denen überraschend lebensechte Roboter die Vergnügungssucht wohlhabender Menschen befriedigen sollen. Spielberg geht mit „A.I.: Künstliche Intelligenz“ noch einen Schritt weiter, wenn die Verschmelzung der Welten zwischen Mechas und Orgas noch intimer vollzogen wird, nämlich auch auf einer emotionalen Ebene. Während die Simulierung sinnlicher Erlebnisse in Form von Sex-Robotern bereits bestens funktioniert, befindet sich die Programmierung echter Gefühle hier noch im Anfangsstadium und sorgt für die ebenso dramatische wie tragische Komponente des Films. Im Gegensatz zu den düsteren Visionen, die Ridley Scott mit „Blade Runner“ und Stanley Kubrick mit „2001: Odyssee im Weltraum“ kreiert haben, überwiegt bei Spielberg allerdings die Hoffnung, dass eine Aussöhnung zwischen den Menschen und den Robotern funktionieren kann, dass die Fähigkeit, Gefühle zu entwickeln, zu einer partnerschaftlichen Beziehung zwischen Orgas und Mechas führen kann.
Spielberg ist damit ein ungewohnt tiefgründiger Film gelungen, der trotz der manchmal etwas kitschigen und zuckersüßen Töne zum Nachdenken anregt. Dazu sorgen die eindrucksvolle filmische Umsetzung, die angenehm zurückhaltende Musik von John Williams und die tollen Darsteller – allen voran „The Sixth Sense“-Star Haley Joel Osment – für ein erstklassiges Science-Fiction-Drama, auf das nur ein Jahr später mit „Minority Report“ ein weiteres Meisterwerk folgen sollte.
"A.I.: Kunstliche Intelligenz" in der IMDb

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