Der Solist

Der britische Filmemacher Joe Wright hat sich gleich mit seinen ersten beiden ambitionierten Literaturverfilmungen „Stolz und Vorurteil“ (2005) und „Abbitte“ (2007) als Regisseur für sehr persönliche Stoffe ausgezeichnet. Im Jahr 2009 nahm er sich einer außergewöhnlichen wahren Geschichte an, die die Freundschaft zwischen dem „Los Angeles Times“-Star-Kolumnisten Steve Lopez und dem schizophrenen Obdachlosen und Meister-Musiker Nathaniel Anthony Ayers thematisiert und auf dem daraus entstandenen Buch „The Soloist: A Lost Dream, an Unlikely Friendship, and the Redemptive Power of Music“ basiert.
In seiner beliebten Kolumne, die er für die „Los Angeles Times“ schreibt, ist Steve Lopez (Robert Downey Jr.) immer gern mit dem Rad unterwegs, um in der Stadt Inspirationen für seine Texte zu finden, die besonders dann beliebt sind, wenn er seine eigene Midlife-Krise zum Thema macht. Nach einem unerklärlichen Sturz von seinem Rennrad ist er deshalb erst einmal mit dem Auto unterwegs und trifft unterwegs in der Nähe des Pershing Square Parks einen schwarzen Obdachlosen, der vor einer Statue von Beethoven bezaubernde Klänge aus einer zweisaitigen Geige hervorlockt. Lopez erfährt, dass der Mann mit Namen Nathaniel Anthony Ayers (Jamie Foxx) heißt. Außerdem schnappt er aus dessen wirren Geplapper auf, dass Ayers wohl die berühmte Juilliard School besucht hat. Schon wittert Lopez eine interessante Geschichte, die die Leser begeistert. Eine Cellistin, die wegen ihres fortgeschrittenen Alters und ihrer Arthrose keine Verwendung mehr für ihr Instrument hat, ist so berührt, dass sie dem Kolumnisten ihr Cello in die Redaktion schickt. Da Ayers aber das wertvolle Instrument schlecht mit seinem vollgepackten Einkaufswagen zwischen den Autobahnunterführungen bewegen kann, wo er sich am liebsten aufhält, bringt Lopez das Cello zur nahe gelegenen LAMP Community, wo Ayers dann spielen könne. Allerdings dauert es einige Zeit, bis das musikalische Genie dort auftaucht und die Besucher des Zentrums mit seinem Spiel begeistert. Mittlerweile sind die Kolumnen über Ayers so beliebt, dass Lopez überlegt, ein Buch über seine ungewöhnliche Freundschaft zu dem psychisch gehandicapten Musiker zu schreiben. Die Auszeichnung für besonders sozial engagierten Journalismus gibt Lopez den entsprechenden Auftrieb, auch wenn seine Chefin Mary (Catherine Keener), die auch noch seine Ex-Frau ist, eher spöttisch reagiert. Schließlich entwickelt Lopez sogar den Ehrgeiz, seinem Freund ein Konzert zu ermöglichen …
Die ungewöhnliche Freundschaft, die Steve Lopez in seinen Kolumnen für die LA Times und seinem Buch beschreibt, ist natürlich der ideale Stoff für ein berührendes Hollywood-Drama. Drehbuch-Autorin Susannah Grant („Pocahontas“, „Auf immer und ewig“) hat sich allerdings einige Freiheiten herausgenommen, um die dramatischen Effekte der Geschichte herauszuheben. So ist aus dem verheirateten Steve Lopez mit kleiner Tochter ein geschiedener Mann mit einer Ex-Frau als Kollegin und einem bereits studierenden Sohn geworden, was zu meist amüsanten Kabbeleien zwischen den beiden führt und so einen heiteren Gegenpol zu Ayers‘ tragischer Geschichte bildet. Regisseur Joe Wright verbrachte einige Zeit in der Skid Row und mit den dort lebenden Obdachlosen, um ein authentisches Gefühl für die Lebenssituation dieser Menschen zu bekommen. Allerdings steht in seinem Film die besondere Beziehung zwischen Steve Lopez und Nathaniel Anthony Ayers so sehr im Fokus, dass das Schicksal des großen Heers an Obdachlosen in Los Angeles kaum weiter thematisiert wird.
So mag man „Der Solist“ ankreiden, dass Obdachlose nur dann interessant genug sind, wenn sie über außerordentliche Fähigkeiten verfügen. Und auch Lopez ist erst an Ayers‘ Geschichte so richtig interessiert, als sich dessen Behauptung, an der Juilliard studiert zu haben, bestätigt. Wie sich der anfangs so zynische Kolumnist aber immer mehr auf den begnadeten Musiker einlässt und Ayers sich trotz seiner psychischen Probleme immer wieder mal gegenüber seinem neuen Freund öffnet, ist allerdings durch den gesamten Film hindurch eindringlich inszeniert, wobei vor allem Jamie Foxx („Collateral“, „Ray“) als wild drauflos plappernder schizophrener Musiker großartige Momente für sich verbuchen kann. In Robert Downey Jr. („Iron Man“, „Sherlock Holmes“) hat er aber einen ebenso taff wie gefühlvoll agierenden Kollegen an seiner Seite, mit dem er sich wunderbar die Bälle in einem Drama zuspielt, das kaum davon ablenken kann, unter welch tristen Bedingungen die Obdachlosen nicht nur in Los Angeles leben. Die Neuveröffentlichung des Dramas durch justbridge auf Blu-ray kommt mit einem umfangreichen, informativen Booklet daher, das die Geschichte der beiden Filmvorbilder und der filmischen Umsetzung ihrer Geschichte rekapituliert.
"Der Solist" in der IMDb

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